: Behörde steht quer — Kindergarten halb leer
■ Kita an der Marcusallee sucht händeringend Kinder / Behörden ohne Konzept und Interesse
Rund 2.000 Kinder werden auch in diesem Jahr in Bremen keinen Kindergartenplatz bekommen. Gleichzeitig werden im kommenden Jahr zwei Drittel der Kita- Plätze an der Marcusallee unbesetzt bleiben.
Diese Kita arbeitet organisatorisch eng mit der Gehörlosenschule an der Marcusallee zusammen und ist deshalb der einzige Kindergarten Bremens, der Bildungssenator Henning Scherf unterstellt ist. Und dessen Behörde hat vor zwei Jahren begonnen, der Spezialeinrichtung die Kinder wegzunehmen. Denn bis dahin konnten neben tauben und schwerhörigen Kindern auch Kinder, die in der Sprachentwicklung zurück waren, die Kita Marcusallee besuchen. Obwohl sprachbehinderte Kinder dort eine besondere individuelle Förderung erhielten und laut Kitaleiter Küchler „haufenweise Eltern“ ihre Kinder zur Marcusallee schicken wollten, entschied die Behörde formal, daß sprachbehinderten Kinder nicht zu schwerhörigen Kindern passen. Und da in allen Stadtteilen integrative Kindergärten für behinderte und nichtbehinderte Kinder geschaffen werden, sei für eine Spezialeinrichtung kein Platz mehr. Die Folge: Die Zahl der Kinder in der Marcusallee sank von 32 vor zwei Jahren auf voraussichtlich 16, ausschließlich schwerhörige, Kinder im kommenden Kindergartenjahr.
Als diese Entwicklung absehbar wurde, wollte Kita-Leiter Küchler seine Einrichtung gemäß den Behördenansprüchen zu einem integrativen Kindergarten machen: „Wir wollten auch für
gut hörende Kinder aus der Umgebung ein Angebot machen.“ Weitere Bausteine des Konzeptes: Die speziell ausgebildeten ErzieherInnen sollten auch in anderen Kitas bei der Integrationsarbeit mit hörgeschädigten Kindern helfen. Küchler: „Wir hätten alles mögliche gemacht.“
Doch das Interesse der Behörden an dem Engagement der ErzieherInnen in der Marcusallee kann allzu groß nicht sein. Küchler hörte aus der Bildungsbehörde nur, er habe ein „sehr interessantes Papier“ geschrieben, mehr
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Der beim Bildungssenator für den Kindergarten zuständige Otto Bothmann verweist auf Bemühungen des Resorts, „ein integratives Kita-Konzept auf die Beine zu stellen.“ Das Sozialressort habe aber keinen Bedarf dafür gesehen. Und im Sozialressort, das ansonsten auf der Suche nach jedem Quadratmeter zusätzlicher Kita-Fläche ist, wurde dies auf Nachfrage bestätigt. Das Angebot im Bereich Bremen-Horn sei auch für Integrationsgruppen bereits jetzt völlig ausreichend.
Inzwischen haben die kinderlosen Zeiten auch für die in der Marcusallee beschäftigten ErzieherInnen Konsequenzen. Zwei von ihnen, die seit 16 bzw. 26 Jahren Erfahrung in der Arbeit mit hörgeschädigten Kindern haben, werden an andere Kitas versetzt. Für Kita-Leiter Küchler ist angesichts der Situation der Trend vorgezeichnet: „Erst werden wir zu einem Spezialisten-Kindergarten gemacht und dann wird mit den Fingern auf uns gezeigt, weil wir kein Integrationskonzept haben.“ hbk
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