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Der Präsident verkündet das Ende der Rezession

Doch das Vertrauen in die Wirtschaft der USA ist wacklig/ Skeptiker warnen vor zweitem Einbruch nach kurzer Erholung/ Bankenkrise ist schon in Sicht  ■ Aus Washington Rolf Paasch

In der vergangenen Woche hat George Bush das Ende der neunten Nachkriegs-Rezession verkündet. „Ich bin bullig“, so die präsidiale Interpretation des jüngsten Aufwärtstrends von einem halben Plus-Prozentpunkt beim industriellen Output und 59.000 neu angeheuerten Arbeitskräften im Lande. Die Kassandras unter den Wirtschaftsanalytikern warnen unterdessen weiter vor den altbekannten Strukturproblemen der US-Wirtschaft, die den einsetzenden Aufschwung nur allzu leicht wieder in eine „Double Dip Recession“ verwandeln könnten: in eine ernste Krise mit zwei Einbrüchen.

Schon seit Monaten stellt die Veröffentlichung der Wirtschaftsdaten, die in den USA in ihrer Komplexität nur noch von den Baseballstatistiken übertroffen werden, allwöchentlich ein neues Verwirrspiel dar. Zu unzuverlässig sind in diesem riesigen Land die Erhebungsmethoden, zu irreführend regionale Besonderheiten, als daß sich hieraus ein klares Bild über den aktuellen Zustand der Ökonomie ergeben könnte.

Zurück bleiben in der Regel ratlose Verbraucher, die mit ihrem Kaufverhalten immerhin für zwei Drittel des Bruttosozialprodukts verantwortlich zeichnen, aber gar nicht wissen können, ob sie jetzt wieder sorglos ihre Dollars ausgeben können oder nicht.

Mit mangeldem Konsumenten- Vertrauen — und zurückgehender Kaufkraft — hatte die Rezession im letzten Sommer begonnen. Nachdem die Kauf-auf-Pump-Manie der Reagan-Jahre zu Rekordverschuldung von Staat, Unternehmen und privaten Haushalten geführt hatte, blieb der Politik Ende der 80er Jahre nichts anderes übrig, als die einheimische Nachfrage und damit die Schuldenberge abzubauen. Die Zeit des Über-die-Verhältnisse-Lebens war endgültig vorbei, mit drastischen Folgen für die längst kreditgewöhnte Volkswirtschaft.

Als erstes brach der Wohnungsbaumarkt in sich zusammen. Aus Angst vor Inflation und einer Kreditüberforderung der unterkapitalisierten Banken reagierte die Federal Reserve (Nationalbank) mit einer rezessionsfördernden Hochzinspolitik. Als dann zu Beginn der Golfkrise anfänglich ein Ölpreisschub hinzukamen, zogen sich die amerikanischen Konsumenten verschreckt aus den Einkaufsparadiesen zurück. Elf Monate lang, für die Dauer einer durchschnittlichen Rezession, vertagten sie viele ihrer „shopping trips“ — mit dem Ergebnis, daß die Wirtschaft um ein Prozent schrumpfte und die Arbeitslosigkeit auf jetzt 6.9 Prozent stieg. Allerdings verbergen sich hinter dieser Zahl völlig verschiedene regionale Arbeitsmärkte. Während die Arbeitsplatzsuche in den Boom- Staaten des Südens nach wie vor kein großes Problem darstellt, hat der Anstieg der Arbeitslosigkeit vor allem in den Bundesstaaten Neu-Englands zu einer oft deprimierenden wirtschaftlichen Lage geführt, aus der es so schnell keinen Ausweg geben wird.

Auch wenn jetzt die Käufer wieder den Weg zum Autohändler wagen, die Supermärkte mit dem Auffüllen ihrer Regale beginnen und die Unternehmen neue Arbeitskräfte anheuern, so wird es doch eine ganze Weile dauern, bis wieder die Umsatzwerte von vor der Wirtschaftsflaute erreicht werden. Und bis zum Abbau des enormen Immobilienüberhangs als Folge der Grundstücksspekulationen in den 80er Jahren, wird sich die Bauindustrie noch jahrelang mit einem reduzierten Auftragsvolumen zufrieden geben müssen. „Die gute Nachricht ist, daß die Rezession vorbei ist“, so ein Wirtschaftsprognostiker. „Die schlechte Nachricht ist, daß die folgende Konjunktur nicht besonders sein wird“.

Statt mit der sonst üblichen Post- Rezessions-Wachstumsrate von sechs Prozent rechnen die Experten für die nächsten Jahre mit einem Wachstum von nur zwei Prozent. Dies mag zwar für einen Wahlerfolg des derzeit hochpopulären George Bush im Herbst 1992 gerade noch ausreichen. Die strukturellen Mängel der US-Ökonomie sind damit jedoch noch nicht beseitigt.

So geht das etwas großzügigere Ausgabeverhalten der US-AmerikanerInnen in diesen Frühjahrsmonaten auf Kosten einer vorher schon katastrophal niedrigen Sparrate, die jetzt mit 3,6 Prozent des verfügbaren Jahreseinkommens auf einem neuen Nachkriegstiefstand angelangt ist. Wie die Menschen einerseits das Sparen lernen sollen — um damit die Abhängigkeit der USA von der japanischen Finanzierung ihres Haushaltsdefizits zu verringern — und gleichzeitig andrerseits mit ihrem Kaufverhalten die Konjunktur anheizen sollen, können natürlich auch die Wirtschaftsexperten nicht sagen.

Vom staatlichen Sektor sind auf Jahre hinaus keine positiven Konjunkturanreize zu erwarten. Dem im letzten Herbst zwischen Republikanern und Demokraten vereinbarten Haushaltsabkommen zufolge müssen sämtliche neuen Staatsausgaben durch Einsparungen in anderen Bereichen ausgeglichen werden. Nur so ist zu erklären, daß die Demokraten während dieser Rezession im Kongreß nicht einmal den Versuch unternahmen, mit keynesianischen Konjunkturprogrammen ihrer traditionellen Arbeiterklientel unter die Arme zu greifen. Eine aktive Wirtschaftspolitik ist durch den Konsens über das Programm zur Haushaltsdefizit-Reduzierung nicht mehr möglich.

Im Gegenteil, die zunehmenden Etatprobleme der Bundesstaaten und Städte führen jetzt auf regionaler und lokaler Ebene zu Budgetkürzungen, Entlassungen und Steuererhöhungen. Genau das könnte die konjunkturelle Belebung schon bald wieder ersticken.

Und schließlich ist da noch die schwelende Bankenkrise. „Die industriellen und kommerziellen Probleme mit dieser Rezession sind nicht so ernsthafter Natur“, meinte letzte Woche der Rechnungsprüfer für das Bankenwesen Charles Bowsher. „Aber die Bankenkrise könnte in den nächsten zwei Jahren für Präsident Bush zur Achillesferse werden.“

Aller Voraussicht nach werden die für dieses Jahr vorhergesagten 440 Bankenpleiten die derzeit noch 20 Mrd. Dollar im Bankenversicherungsfond bis zum Jahresende aufgebraucht haben. Käme es danach noch zum spektakulären Bankrott von ein oder zwei Großbanken, so könnte dies leicht zu einem erneuten Konjunktureinbruch führen. Über die Wahrscheinlichkeit eines solches Szenarios streiten sich derzeit noch die Banken- und Wirtschaftsexperten. Nur eines ist sicher. Sollte es dazu kommen, würde der Wahlkampf 1992 tatsächlich spannend.

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