: Sperrbezirk für Huren vom Tisch
■ Innenstaatssekreätr Jäger lehnte Einführung eines Sperrbezirks für Prostituierte ab/ Entscheidung würde von allen Fraktionen begrüßt/ Runder Tisch soll jetzt Probleme in Tiergarten lösen
Tiergarten. In Berlin wird es keinen Sperrbezirk für Prostituierte geben. Diesen Beschluß verkündete gestern Innenstaatssekretär Armin Jäger (CDU) im Frauenausschuß des Abgeordnetenhauses. Die Innenverwaltung folgte mit dieser Entscheidung dem Votum des Rates der Berliner Bezirksbürgermeister.
Wie berichtet, hatte die Tiergartner Bezirksverordnetenversammlung (BVV) mit den Stimmen von SPD und CDU den Innensenat Ende Februar aufgefordert, Berlins größten Straßenstrich im Bereich des südlichen Tiergartens zu einer Sperrzone für Prostituierte zu erklären. Hintergrund des Antrags waren zahlreiche Beschwerden von Eltern und Lehrern der Fritzlar-Homberg- Grundschule über sexuelle Belästigungen und herumliegende Spritzen drogenabhängiger Prostituierter im Süden Tiergartens. Die Eltern und Lehrer gaben für die Mißstände zwar nicht den Prostituierten oder Freiern die Schuld, glaubten aber, daß das Prostitutionsmilieu eine starke Anziehungskraft auf zwielichtige Gestalten ausübe. Der Antrag der BVV war von den Prostituierten-Selbsthilfeorganisationen »Hydra« und »Nutten und Nüttchen« und dem Bündnis 90/ Grüne während mehrerer Bezirks-Bürgerforen zu diesem Thema heftig kritisiert worden. Die Probleme im Kiez, so hieß es, könnten nur durch Aufklärung und Prävention angegangen werden. Eine Kriminalisierung der Huren sei keine Lösung, sondern fördere das Zuhälterwesen. Ende Mai sprach sich auch die frauenpolitische Sprecherin der CDU, Irina Schlicht, gegen die Einführung eines Sperrbezirkes aus, weil dieser die Probleme nur verlagere und das »Zuhälter-Unwesen begünstige«.
Innenstaatssekretär Jäger begründete die Ablehnung des BVV- Antrags gestern damit, es könne nicht hingenommen werden, daß ein Sperrbezirk zu einer Stärkung des Zuhälterwesens führe. Zu der Meinung, so Jäger, sei er durch ein Gespräch mit Hydra gekommen. Die Entscheidung wurde gestern von allen Fraktionen begrüßt. Die frauenpolitische Sprecherin von Bündnis 90/ Grüne, Sibyll Klotz, äußerte sich gegenüber der taz erfreut über Jägers »differenzierte« Darstellung. Sie bekräftigte nochmals die Forderung nach mehr Geldern für die Präventionsarbeit, Aufstellung von Spritzenautomaten und Einrichtung von selbstverwalteten Bordellen. Jäger selbst hatte in dem Ausschuß darauf hingewiesen, daß in Tiergarten bereits ein »runder Tisch« eingerichtet worden sei, an dem Polizei, Prostituiertenorganisationen, Eltern, Lehrer sowie Bezirkspolitiker eine sozialverträgliche Lösung zu erarbeiten suchten. Der Volksbildungsstadtrat von Tiergarten, Norbert Schmidt (CDU), kündigte gestern an, die Innenverwaltung nach dieser Entscheidung verstärkt in die Pflicht nehmen zu wollen. plu
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