piwik no script img

Fall Schalck: Warten auf BND-Protokolle

Bonn (dpa) — Die Berliner Staatsanwaltschaft hat von den 1.500 vorliegenden Akten zur Ermittlung gegen den ehemaligen DDR-Devisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski und die damalige Außenhandelsorganisation „Kommerzielle Koordinierung“ (KoKo) erst knapp die Hälfte erfaßt und gesichtet. Dies teilte der Vorsitzende der „Arbeitsgruppe Regierungskriminalität“, Christoph Schaefgen, am Mittwoch vor dem Bonner Untersuchungsausschuß mit. Der Ausschuß, der die Aktivitäten Schalck-Golodkowskis untersuchen soll, hörte die Berliner Justizsenatorin Jutta Limbach (SPD), in deren Begleitung Schaefgen nach Bonn gekommen war.

Die Senatorin appellierte erneut an Bund und Länder, die zugesagten 60 Staatsanwälte zur Ermittlung nach Berlin zu entsenden. Mit der Erfassung der vorhandenen Akten sind zur Zeit vier Staatsanwälte beschäftigt. Frau Limbach bestritt, daß es „schützende Hände“ gebe, die die Berliner Staatsanwaltschaft von den Ermittlungen zur Aufklärung der Aktivitäten des früheren DDR-Devisenbeschaffers abhielten. Ihr seien auch keine Ersuchen in- und ausländischer Geheimdienste zur Vernehmung Schalck-Golodkowskis auf den Tisch gekommen.

Auf die Frage, ob sie ausschließen könne, daß Schalck-Golodkowski während seiner Inhaftierung in Moabit vom Bundesnachrichtendienst (BND) verhört worden sei, erwiderte sie: „So was könnte ich nur ausschließen, wenn ich ununterbrochen neben ihm gessessen hätte.“ Schaefgen sagte, man habe sich hinsichtlich möglicher Vernehmungsprotokolle an den BND gewandt, warte aber noch auf Antwort.

Von den seiner Arbeitsgruppe vorliegenden Akten ist nach Angaben Schaefgens nur ein ganz geringer Teil vom Verfassungsschutz als geheim eingestuft. Seine Stelle habe Schwierigkeiten, an die bei der Gauck-Behörde lagernden Unterlagen, die 900 Meter umfassen sollen, heranzukommen. Ob es noch anderenorts belastendes Material gebe, könne er nicht sagen. Der Inhalt aus fünf Aktenkoffern Schalck- Golodkowskis, teilweise im Besitz der 'Zeit‘, sei nicht von der Art, daß er seine Arbeitsgruppe interessiere. Wieviele Akten beiseite geschafft worden seien, könne er nicht sagen. Es gebe Berichte, daß zur Wendezeit eine Tonne Papier vernichtet worden sei.

Aufgabe des Bundesfinanzministers sei es, das Verbleiben von 22 Milliarden Mark aus dem KoKo-Bereich zu klären, da Teile davon in die Haushalte der ehemaligen DDR und des Bundes geflossen seien. Erkenntnisse darüber kämen aus dem Finanzministerium nur „tröpfchenweise“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen