: Sub-Szenen und Schutzanzüge
■ Band-Portraits serienmäßig - Drittens: „Acid Rain Dance“ über bremische Stumpfnacken, Sümpfe und entfernte Länder
hierhin bitte
den Textkasten
taz: Eine neue Band am Bremer Musikhimmel, „Acid Rain Dance“. Ist Euer Name Programm?
Quaddel: Ich habe mal unter Gerümpel eine uralte Postkarte gefunden, da waren Leute mit Schutzanzügen drauf und eben den drei Worten.
Fred: Jetzt pack' uns aber nicht gleich in eine Schublade, erst
müssen wir unser Projekt mal mit Musik füllen.
Bitte.
Zulu: Wir haben unser Stilkonzept weiterentwicklt. Wir machen immer noch noch harte schnelle Musik, aber die Stücke sind nun länger und komplexer. Um eine eigene Schiene zu finden, mußt du halt oft spielen. Letztes Jahr im Oktober und November waren wir zum Beispiel in Italien auf Tour. Wir haben da in besetzten Häusern gespielt, hatten wenig Kohle und mußten auch noch in irgendwelchen Bergkaffs auf unsere griechische Begleitband warten, weil die überhaupt nichts auf die Reihe gekriegt haben. Das hat alles nur Geld für uns gekostet, aber die Erfahrung haben wir erst mal.
Und eure Platte?
Quaddel: Wir haben zweimal in Belgien gespielt und dann gleich mit den Studiovorbereitungen begonnen. Wir kennen da jemand aus Süddeutschland, der hatte von seiner Repro-Firma Geld übrig und hat es einfach in unsere Platte gesteckt, weil der uns gut fand. Der hat gar kein richtiges Label, wir sind sein drittes Projekt. Aufgenommen haben wir es dann in Schweden, da kannten wir wiederum einen Studio-Owner.
Süddeutschland, Schweden, gehört ihr vielleicht gar nicht in die Bremer Szene?
Stefan: Die ist hier zu mager. Es gibt doch keine Szene in dem Sinne. Ich habe den Eindruck, daß zum Beispiel die Bremen- Nord-Bands froh sind, überhaupt mal im Viertel auftreten zu können. Da oben, das ist wie 'ne andere Stadt. In Bremen kann man höchstens von Sub-Szenen reden. Viel hängt auch von Probenräumen ab, wir müssen immer ganz nach Oslebshausen. Der Austausch fehlt einfach.
Und warum tauscht ihr euch nicht mit anderen Bands aus?
Fred: Wie denn? Es gibt keine Läden, wo das geht. Im besetzten Haus in der Grünenstr. gab's mal die Möglichkeit. Aber das ging nicht lange gut. Mal fehlte das Bier, manchmal war's zu kalt. Im Cafe spielten sie mal die Musik, dann wieder eine andere. Wie willst du da kontinuierlich was
Im Kommen: „Acid Rain Dance“, hier lagernd auf'm Müll der Melancholie. Die ganze Kapelle von links: Jacke, Zulu, Quaddel, Fred, Stefan.Foto: U.Treger
mit Leuten machen? Es braucht welche, die so etwas täglich machen. Andere Läden sind zu teuer oder die Atmosphäre ist zu blöd. Dabei könnte man über Gigs reden, über Organisation, man könnte versuchen, sich gegenseitig musikalisch weiterzubringen oder auch über Labels schnacken.
Stephan: Da könnte man vielleicht auch so 'ne Konkurrenz vergessen, denn die gibt's nämlich. Es liegt ja an den Bands selbst.
Fred: Irgendwo hingehen können, wo man sicher jemanden trifft. Die Grünenstr. und auch das Haus im Buntentor sind im Bremer Sumpf verendet. Z.B. Buntentor: Die machen zwei, drei gute Gigs, dann stirbt das wieder. Irgendwelche Stumpfnacken bauen da Scheiße, klauen oder boykottieren das. Dann kommen da Hard
hierhin bitte
das düstere Foto
von den fünf
Lang- und
Kürzerhaarigen
Core-Lila-Frauen, so militante Feministinnen, die machen dann ein Frauen- und Lesbenzentrum daraus, und wir Männer sollen dann für 2000 Jahre Patriarchat büßen. Und schau' dir an, was daraus geworden ist.
Wie stellt ihr euch also die Zukunft von „Acid Rain Dance“ vor?
Stephan: Wir wollen uns auf unsere Musik konzentrieren, und das ist nun ein ganz anderes Paar Schuhe.
Fred:yWir wollen eher von Bremen weg, andere Länder kennenlernen, nicht immer im eigenen Sumpf steckenbleiben.
Zulu: Und selbst wenn hier alles in Ordnung wäre, auch mit den Medien, wollten wir raus und uns umgucken, das will doch jede Gruppe. Außerdem kennen wir gar nicht soviele Leute, die uns
weiterhelfen könnten. Den Kontakt zu Radio Bremen 4 habe ich über die Schwester von jemanden, der dort arbeitet. Man muß auch lernen, sich zu präsentieren oder z. B. Fototermine anleiern. Die Medien anzusprechen kostet Überwindung.
Was können wir sonst noch von euch erwarten?
Quaddel: Im Herbst wollen wir eine neue Tour machen, aber die bereiten wir lieber selbst vor, als Versuchskaninchen lassen wir uns nicht mißbrauchen. Wir reisen gern, und auch der Streß liegt uns sogar. Wir haben bisher ungefähr 20 Stücke, das reicht für 'nen Gig. Außerdem wollen wir unsere EP verkaufen, damit die Leute uns kennenlernen. Aber das ist nicht so leicht. Und ein fester, guter Mixer, das wäre toll. Jürgen Francke
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen