: Uli, Olli und die Champions
■ 25.000 BremerInnen feiern Werder / Summender Bürgermeister wirft mit Medaillen um sich
Bitte Otto
Rehhagel
Otto wieder oben
Irgendwie war unser Bürgermeister gestern so anders, anders jedenfalls, als wir ihn kennen: Stand er doch im Rathaus vor dem Fernsehmikrophon und summte vor sich hin: „We are the chamions, we are the champions...“ Den Refrain hatten ihm kurz zuvor 25.000 vereinsfarbengeschmückte BremerInnen ins Ohr gedonnert, als die Werder-Helden von Berlin ihrem Fanvolk standesgemäß vom Balkon des Rathauses herab die Referenz erwiesen. Dreimal waren sie nach Berlin gefahren, zweimal waren sie ziemlich still und leise wieder in die Heimat zurückgekommen, doch dieses Mal hatte es gereicht: Werder gewann gegen den 1. FC Köln mit 5:4 nach Elfmeterschießen und darf sich zum ersten Mal nach dreißig Jahren wieder Deutscher Pokalsieger nennen.
Den Erfolg verdanken die Bremer einem ausgesprochenen Linksdrall. Denn nachdem 120 Minuten Spielzeit nur je ein Tor auf beiden Seiten gebracht hatte, nahmen sich die Bremer Elfmeterschützen die linke untere Ecke des Tors vor. Da Kölns Keeper Bodo Illgner den Ball aber in der Regel rechts suchte, dort war er beim ersten Schußversuch von Allofs fündig geworden, hatten die Bremer immer ein Tor mehr auf der Anzeigentafel stehen. Und weil links in war, warf sich auch Oliver Reck bei Littbarskis Torschuß in diese Ecke und hielt. Eine Großtat, die dem Bremer Keeper mindestens viererlei einbrachte: Erstens eine ganze Traube Mannschaftskameraden, die sich über ihn warfen, zweitens lobende Worte vom Trainer (“Die Glücksgöttin hat ihn reichlich beschenkt und ihn vor bösartigen Journalisten beschützt“), drittens Lobgesänge der Fans bei der Rathausbalkon-Kür und viertens 25.000 Mark, um die nun alle Werder-Spieler reicher sind. Und so wurde „Olli“, der im Laufe der Saison dank diverser torhüterischer Unzulänglichkeiten immer mehr zum Gespött der Fans geworden war, bei der Gratulationscour geradezu sentimental. „Ich bedanke mich bei der Mannschaft, beim Trainer und bei meiner Frau“, rief er vom Balkon und brachte dann mit einem „Ihr habt den Pokal verdient, sonst niemand“, die grün-weißen Fahnenschwenker geradezu in Ekstase.
Da fehlte dann nur noch der letzte Schütze Werders, Uli Borowka. Als der zum alles entscheidenden Elfmeter anlief, hatte so manch einer befürchtet, daß der Ball in gerader Linie über den Rand des Olympiastadions hinausfliegen würde. Doch Borowka, der nach eigenem Angaben bei so einem Spiel nie denkt, sagte sich „Hau ihn rein“ und er haute, links unten.
Und so stand denn unser von der Berliner Nacht leicht angeschlagene Bürgermeister in der Rathaushalle, verteilte Medaillen an Spieler, was das Zeug hielt, umarmte, wer ihm als Funktionär unter die Arme kam, griff sich den Werder-Präsidenten Franz Böhmert zum Bruderkuß und erklärte ihm dann die Funktionsweise des Mikrophons: „Franz, Du mußt hier ein bißchen reinbeißen.“
Und während Franz biß, da sangen unten auf dem Marktplatz die Fans, bis daß das Bier zur Neige ging. hbk
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