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Mutter Teresa betet für die Aids-Forschung

Einreisebestimmungen der USA beherrschten die VII. Aids-Konferenz/ Highlights fehlten/ Zwanzig Meilen für eine Aspirin  ■ Aus Florenz Klaus Lucas

Mit einer Protestdemonstration zum US-Konsulat endete am vergangenen Freitag die VII. Internationale Aids-Konferenz in Florenz. Die Teilnehmer der Demonstration, darunter auch die Organisatoren, Giovanni Rossi und David Essex, protestierten gegen die diskriminierenden Reise- und Einwanderungsbestimmungen der USA für HIV-Infizierte und Aids-Erkrankte. Der Streit um diese Bestimmungen beherrschte auch die Konferenz.

Es gab verschiedene Aktionen von Act Up und Arci Gay, einer italienischen Schwulen- und Lesbenorganisation, gegen diese Beschränkungen. Für die International Aids Society erklärte deren Präsident, Paul Volberding, daß die für 1992 geplante Konferenz in Boston unter diesen Umständen undenkbar sei. Doch zu einer Absage oder Verlagerung der Bostoner Konferenz 1992 konnte sich das „Aids-Establishment“ anfangs nicht entschließen. Erst in der Abschlußveranstaltung sprachen sich die Redner eindeutig dafür aus, daß die Konferenz in Boston abgesagt oder verlagert würde, wenn sich die Haltung der Bush-Administration bis zum 2. August 1991 nicht geändert habe. Eine internationale Aids-Konferenz, an der Betroffene nicht teilnehmen könnten, sei sinnlos.

Bequeme Sessel für den Ruheraum

Das Zusammenwirken von Organisatoren und von der Aids-Krise Betroffenen klappte aber nicht immer so reibungslos wie in dieser Frage. So hatten die Veranstalter zwar einen Ruheraum für Aids-Kranke eingerichtet, aber soweit abgelegen und noch dazu so spartanisch möbliert, daß er kaum zu benutzen war. Act Up organisierte deshalb bequeme Sessel aus dem Medienzentrum für diesen Raum. Zudem schien es den Carabinieris, die überall massiv auftraten, zu gefallen, sich über Kranke, etwa mit Kaposiflecken, lustig zu machen. Das ärgerliche Verhalten der Polizisten wurde erst nach einer Intervention der Konferenzleitung abgestellt.

Auch die Deutsche Aids-Hilfe (DAH) sorgte für einen Skandal. Am Stand der DAH wollte man ein Pornovideo zeigen, das Safer-Sex lustvoll demonstrierte. Zu lustvoll allerdings für den Leiter des Kongreßzentrums, der die Präsentation des Videos untersagte. Nach einer Pressekonferenz, bei der die DAH Sequenzen des Videos vorführte, konnte das Band schließlich doch noch gezeigt werden. Allerdings etwas abseits vom DAH-Stand in einer unbelebteren Ecke.

Das waren jedoch nur Randprobleme. Auf der Konferenz zeigte sich deutlich, daß die Probleme in den westlichen Industriestaaten anders geartet sind als in den Entwicklungsländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas. Während sich das wissenschaftliche Programm hauptsächlich mit der Erhöhung der Wirksamkeit bereits bekannter Medikamente, wie AZT, befaßte, blieben die Probleme der Dritten Welt davon unberührt. So erklärte der Präsident Ugandas, Yoweri Museveni, in einem Land, wo man zwanzig Meilen für ein Aspirin laufen müsse, habe man andere Probleme. Aber nicht nur die medikamentöse Behandlung stelle ein Problem dar, sondern auch die Prävention. Safer-Sex-Kampagnen und das Propagieren des Kondomgebrauchs reichten in vielen Entwicklungsstaaten nicht aus. Eine Rückbesinnung auf traditionelle Werte sei notwendig, und so empfehlen die ugandischen Behörden deshalb sexuelle Enthaltsamkeit und eheliche Treue, um die weitere Ausbreitung von Aids zu verhindern.

Ob solche Empfehlungen, die sehr an Verlautbarungen der katholischen Kirche erinnern, wirklich geeignet sind, Neuinfektionen zu verhindern, muß bezweifelt werden. Vordringlich sind daher Anstrengungen, die es auch in nicht industrialisierten Staaten ermöglichen, wirksame Safer-Sex-Kampagnen durchzuführen.

Mutter Teresa blieb bei den Waisen in Bagdad

Obwohl die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits im Vorfeld der Aids-Konferenz ihre Schätzungen über die Ausbreitung von Aids nach oben korrigierte, blieb das Interesse der Öffentlichkeit geringer als in den Vorjahren. Weder der italienische Präsident Francesco Cossiga noch der Ministerpräsident Giulio Andreotti kamen nach Florenz. Auch Mutter Teresa blieb der Abschlußveranstaltung fern. Cossiga und Andreotti nannten die innenpolitische Krise als Ursache für ihr Fernbleiben, Mutter Teresa wurde in Bagdad von Waisenkindern aufgehalten. Sie ließ den Teilnehmern der Konferenz aber ausrichten, daß sie für sie bete.

Die Medien berichteten nur die Highlights der Konferenz und hinterfragten allenfalls die Notwendigkeit solcher Veranstaltungen. Wer von der VII. Aids-Konferenz einen Impfstoff oder eine wirksamere Therapie erwartete, blieb enttäuscht. Doch das kann auch nicht das unmittelbare Anliegen einer solchen Konferenz sein. Nach zehn Jahren Aids betreibt die Wissenschaft immer noch Grundlagenforschung, trägt Steine zu einem Mosaik zusammen, die helfen, Aids zu verstehen. Eine internationale Konferenz über Aids dient dem Gedanken- und Erfahrungsaustausch, sie ist kein Zirkus. Die Empörung, mit der Wissenschaftler wie Giovanni Rossi und Robert Gallo auf entsprechende Vorwürfe reagierten, ist berechtigt.

Sicher ist es schwierig, die Hauptströmungen der Diskussion auf einem so großen Kongreß zu erfassen. Dennoch reicht es nicht aus, lediglich über vermeintliche Sensationen zu berichten. Schnell werden so Arbeitshypothesen zum Fakt. Die tatsächlichen Ergebnisse treten dabei in den Hintergrund.

Ein Pressefotograf demonstrierte dies in ironischer Anschaulichkeit: „Ich nehme drei Tips mit von der Konferenz: Benutze Nadeln nur mit Kondom, mach keinen Sex mit einem Mann, der schon einmal benutzt wurde, und melde dich nie als Freiwilliger bei einer Impfstoffstudie Zagurys.“

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