: Ein Dreckladen vom Feinsten
■ Beschwerden aus der JVA Dieburg
Wegen eines Einbruchsdelikts bin ich für rund fünf Monate Strafgefangener der JVA Dieburg. Um in der Justizvollzugsanstalt eine Tätigkeit zu haben, habe ich mich in die Anstaltsküche gemeldet. Aufgrund meines Arbeitsantrages wurde ich vom Anstaltsarzt untersucht. Der Arzt bestätigte mir, daß ich gesund sei und in der Küche arbeiten könne. Tage später wollte ich vom Anstaltsarzt wissen, warum man mich nicht zur Arbeit hole, ich sei gesund und arbeitswillig. Daraufhin wurde mir erklärt: Er, der Anstaltsarzt ließe in Zukunft keine Fixer mehr in der Anstaltsküche arbeiten, schon weil er keinen Bock habe, die Leute fortlaufend zu untersuchen. In letzter Zeit seien in der Anstalt verbreitet Schmierinfektionen aufgetreten.
Es ist geradezu eine Unverschämtheit von dem hiesigen Anstaltsarzt aus meinem Vorleben (ich habe vor langer Zeit Kokain genommen) Rückschlüsse auf meine jetzige Lebensführung zu ziehen, mir zu unterstellen, daß ich „Fixer“ sei und mich vor meiner derzeitigen Umwelt derart zu diskriminieren. Die in der Anstalt aufgetretenen Schmierinfektionen kommen unter anderem vermutlich davon, weil Bedienstete wie der Anstaltsarzt keinen Bock haben, ihren Arsch zu bewegen, wenn schon in frischgewaschenen Kleidungsstücken durch das ortsansässige Gesundheitsamt Spuren von Kot gefunden werden und diese Kleidungsstücke mit Geschirrtüchern in demselben Korb zur Verteilung gebracht werden. Bei spitzfindiger Betrachtung ist der hier einsitzende Gefangene mehr oder weniger gezwungen, seinen und anderer Leut Kot zu essen; vom Geschirrtuch über den Teller zum Mund haben es Bakterien nicht weit.
Vielleicht liegt das Auftreten von Schmierinfektionen in der Anstalt auch daran, weil das Küchenpersonal während der Dienstzeiten über ihren Aufgabenbereich hinaus Privatschlachtungen vornimmt, beziehungsweise für privaten Eigenbedarf wöchentlich hunderte Würste, Schnitzel und Hacksteaks herstellt und danach vermutlich nicht mehr die Zeit hat, ihrer vom Dienstplan vorgesehenen Aufgabe nachzukommen.
Auszug aus einem Schreiben des Gesundheitsamts Darmnstadt-Dieburg an einen hier einsitzenden Mitleidensgenossen:
Im wesentlichen wurden in allen Wäschenstücken Bakterien gefunden, die üblicherweise im Darm vorhanden sind. Diese Keime werden üblicherweise bei der Kochwäsche, also bei 95 Grad abgetötet. Eine gesundheitliche Gefährdung geht von diesen Keimen im allgemeinen nicht aus, es handelt sich zwar um Bakterien, aber nicht um Krankheitserreger.
Dennoch handelt es sich eindeutig um ein hygienisches und nicht zuletzt auch um ein ästhetisches Problem. Ich habe daher die Befunde mit einem entsprechenden Begleitschreiben an das Gesundheitsamt der Stadt Frankfurt geschickt und gebeten, die Anstaltswäscherei in Preungesheim dahingehend zu überpüpfen. Vermutlich wird hier die Waschtemperatur nicht eingehalten, anders ist das Überleben der Keime nicht zu erklären.
Ein Strafgefangener der JVA Dieburg versuchte einen Selbstmord, indem er seine Zelle in Brand steckte. Der Schwerverletzte mußte mit einem Helikopter in eine Spezialklinik geflogen werden. Ob er am Leben erhalten werden kann, ist fraglich.
In der JVA Dieburg herrschen untragbare Zustände. Brandschutzverglasungen werden selbst über viele Monate hinweg und nach mehrfachen Beschwerden nicht ersetzt. Das Leben einer Großzahl von Gefangenen wird dadurch leichtfertig gefährdet.
Der Strafgefangene B.K. wurde, nachdem seine Fensterscheibe zu Bruch ging, rund drei Wochen in Dunkelhaft gehalten. Die fragliche Fensterscheibe wurde mangels vorsorglichem Ersatz einfach mit einem Brett ersetzt. (Die JVA Dieburg hat 300 gleichgeschnittene Fenster!)
Ein Irrenhaus auf Kosten der Gefangenen: Der Strafgefangene A.A. bekam zur Vorbereitung in den offenen Vollzug Ausgänge zur Arbeitssuche. Sein dritter Antrag auf Ausgang zur Arbeitssuche wurde mit der Begründung abgelehnt, es sei nicht nötig, daß er sich Arbeit suche, weil über seine Zulassung zum Freigang noch gar nicht entschieden sei.
Welcher Betreuer hier wohl für ihn denken mag? Die Kosten der sinnlos vorangegangenen Suche nach Arbeut mußte sich A.A. vom Mund absparen und fast einen Monatsverdienst dafür opfern.
Dem Schreiber des Artikels wird trotz mehrfacher Dienstaufsichtsbeschwerden beim Hessischen Justizministerium weiter trotzig seine Anwaltspost geöffnet, obschon die Anwaltsbriefe augenscheinlich gesondert mit Absender versehen und durch die fortlaufenden Dienstaufsichtsbeschwerden selbst dem letzten Einfaltspinsel aufgegangen sein müßte, daß es sich bei diesen Rechtsanwaltsbriefen um Verteidigerpost handelt.
Die täglichen Mißhandlungen nehmen keine Ende.
Ich warne Euch, meine lieben Mitbürger, zieht eine Mauer um die Mauer, nach Dienstschluß werden sie auch auf Euch losgelassen! J.B., G.D., JVA Dieburg
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