Ein Königreich für eine Karte!

■ Ahoi!! „Blaumeiers“ zelebrieren wieder ein Fest: „Jakobs Krönung“ am Café-Sand-Strand / Ausverkauft!

hierhin bitte

die traurige Maske

König Jakob, der Traurige

Wir sind ein unterwürfiger Hofstaat: sitzen im Regen und werden naß und kaufen Capes für zwei Mark, wodrunter man aussieht wie luftdichtes Pumpernickel oder seine eigene Großmutter. Der Himmel weiß, warum er uns das antut, dieser unhöfliche. Wir sind dafür Höflinge mit Leib und Seele, schließlich sind wir Krönungsfest-Gäste von Jakob, König, und eingeladen auf sein in den Sand gesetztes Schiff.

Da sitzen wir, alle in einem Boot und Jakob am Bug. Jakob ist ein aufgeblasener König, der einem leid tun kann: immer riesig traurig und die Ganzkopfmaske voller Hängebacken. Auch unsere Hintern tun weh auf den Galeeren-Biergartenbänken der königlichen Fregatte, wenigstens müssen wir nicht rudern; über uns, wie gesagt, der offene Himmel, aber pssst jetzt endlich da unten auf den niederen Bänken, auf dem Vorschiff der höhere Adel beginnt sein apathisches Menuett, jesses, der Adel, der schrulle! Ist sichtlich neurotisch und depressiv und schwankt dekadent, wo sind wir hingeraten!? Aber jubeln müssen!

Ach, immer wieder geht die Sonne der „Blaumeiers“ wie ein Vorhang auf. Das Bremer Kunst- und-Psychiatrie-Projekt ist eineArt Erfrischungsbrause unter den Selterswässerchen des übrigen Theaterbetriebs. Mindestens 60 Akteure prickeln mit und entwickeln alle Jahre wieder die irr- und witzigsten Zusammenspielereien von Psychiatriepatienten und (jaja:) sogenannten Normalen, v.a. Sozialarbeitern und Künstlern. Rauskommt immer ein solitäres Theaterereignis, etwas, das man vielleicht eine Seifenblase von innen nennen möchte: ein transparentes Schillerndes, was einen mit hochhebt und bei Berührung kitzelt, daß man lacht; dann platzt es schnell und man muß nach Hause. Wie machen die das?

Wir wieder im Boot, es regnet. Von hinten trampelt ein Rauhbein-Trupp im Trommelhall: Die Besatzung, zu Hilfe! Gut, daß wir tief sitzen, sehen sie uns schlechter, dafür aber ihren König und seinen Käpt'n gut: ausgerechnet diese Bande soll der bescheuerten Hofgesellschaft ein Schrubberballett vorführen? Ausgerechnet! Wo denen das Meutern nur so aus den Nüstern quillt! Selten so ein halb meuterndes, halb schrubbendes Ballett gesehen! Trotzdem stechen wir bald alle in See, was einen Haken hat: wir stechen gar nicht! Bloß die Vorhänge links und rechts bewegen sich in Fahrtrichtung und links zieht bald ein Leuchtturm, bald eine Insel vorüber. Simulation vom Feinsten: Jakob, weil seekrank, soll getäuscht werden und wir mit.

Das ist eine Seefahrt, die ist zuerst lustig und könnte ins Blaue führen, wenn nicht bald ein Gesamtkunstspuk von Klabautermännern, Ankerratten, Seeschweinen, Meerweibern und anderen umnachteten Liebchen beginnen würde. Der Adel hält den Ereignissen mental nicht stand und flieht. Zur Erbauung schmetterkrächzt am Maste Moses, der Schiffsjunge, das Lied „Der Wind hat mir ein Lied erzählt“, und verstohlen summt's hier und da in der Großmutter-Galeere. Die Fahrt endet in Anarchie und Chaos, die Zeremonie ist zum Teufel, der König auch, und wieder müssen wir nach Hause. Der König ist tot, aber es lebe das Theater! Claudia Kohlhase