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Verhext oder wahnsinnig

■ »Out in Africa« — Ein Dokumentarfilm zur Situation schwarzer Lesben und Schwuler in Südafrika

In der Geschichte unterdrückter Rassen oder Völker gab es bislang keine Befreiungsbewegung, die im Kampf um Emanzipation die Rechte ihrer homosexuellen MitstreiterInnen eingeklagt hätte. Bis vor kurzem war dies auch in Südafrika nicht anders. Homosexuelle Weiße leben in Südafrika relativ privilegiert; sie besitzen die Möglichkeit, ihren sexuellen Freiheitsdrang in den zahlreichen Homo-Etablissements für Weiße auszukosten. Darüber hinaus wird ihnen eine umfassende Aids-Aufklärung zuteil. All dies hat für schwarze Homosexuelle keine Gültigkeit.

Homosexuelle Schwarze werden in Südafrika wie überall in der Welt in doppeltem Maße diskriminiert. Vom Wissensstand der Weißen in puncto Aids hat die schwarze Gay Community nie profitiert; günstigstenfalls wurden Broschüren in die Townships entsendet, die, in englischer Sprache abgefaßt, einem Großteil der Adressaten unverständlich blieb.

Die »Gay Association of South Africa« (GASA), die, von Weißen dominiert, in bezug auf gleichgeschlechtliche Lebens- und Liebensweisen an der Struktur des Apartheidregimes festhalten wollte, wurde 1986 von der »International and Gay Association« (ILGA) ausgeschlosen. Mittlerweile ist die daraufhin entstandene »Gay and Lesbian Organization of the Witwatersrand« (GLOW) zur bedeutendsten Institution der südafrikanischen Lesben- und Schwulenbewegung avanciert; 60 Prozent ihrer Mitglieder sind Schwarze.

Doch nicht nur die reaktionäre Borniertheit der weißen Homos machte den Schwarzen das Leben schwer, sondern auch die homophoben Ressentiments in den Townships.

Ein nicht zu unterschätzender Teil der schwarzen Bevölkerung Südafrikas wiegt sich nämlich im Glauben, daß es sich bei Aids und Homosexualität um dekadente Importartikel aus der westlichen Zivilisation handelt. Wer schwarz und schwul oder lesbisch ist, wird oftmals von der eigenen Familie mit den Attributen verhext oder wahnsinnig stereotypisiert. Die Rückkehr auf den Pfad der heterosexuellen Tugend bleibt dem »witch doctor« oder, in entsprechend aufgeklärteren Kreisen, einem Psychiater überlassen. Hinzu kommt, daß viele Schwarze auf beengtem Wohnraum in Großfamilien zusammenleben — angesichts der geringen Anzahl homosexueller Vergnügungsstätten für Schwarze ist der Wunsch nach Intimsphäre kaum zu realisieren.

Im Streit um die Rechte südafrikanischer Lesben und Schwuler erscheint auch die Rolle des ANC in einem ambivalenten Licht. 1987 wurde allen Unterdrückten des Landes Unterstützung zugesagt. In einem anschließend veröffentlichten Katalog, der Bestandteil einer zukünftigen südafrikanischen Verfassung werden soll, wurden die grundlegenden Menschenrechte zwar allen BürgerInnen zugesprochen, unabhängig von Rasse, Hautfarbe und Herkunft. Was aber fehlte, war de bloße Erwähnung der sexuellen Orientierung. Simon Nkoli, Vorstandsmitglied von GLOW, wartet inzwischen ein Jahr auf eine Reaktion Nelson Mandelas auf einen offenen Brief.

Zusammen mit dem Arzt Ivan Toms steht Simon Nkoli im Mittelpunkt von Melanie Chaits 1989 entstandenem Dokumentarfilm Out in Africa. Dr. Ivan Toms, ein schwuler Antiapartheid-Aktivist, verweigerte als erster Weißer seines Landes den Militärdienst und wurde dafür mit der Höchststrafe von drei Jahren Gefängnis bedacht. Der schwarze Aktivist Simon Nkoli wurde 1984 zusammen mit 21 anderen Personen des Hochverrats, fünffachen Mordes und Terrorismus angeklagt, später allerdings freigesprochen. Während seines Prozesses hat er permanent auf die Tatsache seiner Homosexualität hingewiesen und viele heterosexuelle schwarze MitkämpferInnen dazu gebracht, ihre homosexuellenfeindliche Attitüde zu überdenken, vielleicht sogar zu revidieren.

Out in Africa erlebt heute abend um 22.30 Uhr seine Berliner Erstaufführung und darf, obwohl in Großbritannien produziert, als Meilenstein in Südafrikas Filmgeschichte betrachtet werden, weil nicht nur Homosexualität filmisch thematisiert wird, sondern auch auf Parallelen zwischen rassistischer und sexueller Unterdrückung hingewiesen wird. Bedauerlicherweise hat die Regisseurin die lesbischen Aktivistinnen ihres Landes schnöde übergangen: Sie wurden weder visuell noch akustisch in Szene gesetzt. Andrea Winter

Out in Africa heute um 22.30 Uhr im Eiszeit-Kino, Zeughofstraße.

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