: Jugoslawien balanciert am Rand des Bürgerkriegs
■ Zusammenstöße, aber keine bewaffnete Intervention der jugoslawischen Bundestruppen/ Erste Todesopfer im von Serben bewohnten Teil Kroatiens
Zagreb (taz) — Der erste Tag der Unabhängigkeit Sloweniens und Kroatiens brachte blutige Zusammenstöße in Kroatien und Konfrontationen an der Staatsgrenze zwischen slowenischen Grenzposten und jugoslawischen Bundestruppen. Die Zentralregierung übte sich in Drohgebärden, und Politiker der beiden neuen Staaten versicherten, nicht alle Brücken seien abgebrochen. Im mehrheitlich von Serben bewohnten kroatischen Glina starben mehrere Menschen, als die kroatische Polizeiwache gestürmt wurde. Daraufhin riegelte die Bundesarmee das gesamte Gebiet ab und unterbrach die Telefonleitungen. Auch in den benachbarten Städten wurden Bundestruppen zusammengezogen, ebenso auf den Flughäfen und in der Nähe der Nordgrenze Sloweniens. Der Streit um die Zollhoheit nahm ebenso groteske wie gefährliche Formen an, als schwerbewaffnetes Militär slowenische Grenzposten an der Aufstellung von Schildern mit der Aufschrift „Republik Slowenien“ zu hindern suchte.
Die Bundestruppen handeln auf Befehl der jugoslawischen Zentralregierung. Deren Chef Markovic hatte in einer scharfen Erklärung die Unabhängigkeits-Proklamationen als illegal verurteilt und angekündigt, Jugoslawien werde seine Grenzen zu schützen wissen. Er erneuerte die Aufforderung zur Fortsetzung des Dialogs und drang in die Serben, ihren Widerstand gegen die Präsidentschaft des Kroaten Mesic aufzugeben.
Die westlichen Staaten zogen erwartungsgemäß eine völkerrechtliche Anerkennung der neuen Staaten nicht in Betracht. Allerdings ergingen von allen Seiten Warnungen an die Belgrader Zentrale, keine Waffengewalt gegenüber den Abtrünnigen einzusetzen — und die EG will „nicht um jeden Preis “ auf der Einheit bestehen. SEITEN 7 UND 10
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