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Jungagrarier jagen lila Kuh!

Große Freude bei den SeniorInnen der AWO-Begegnungsstätte Neustadt: Zu ihrem 100. Klönschnack erschien Senator Peter Sakuth zwar ohne Jubiläumsgeschenk, versprach aber eins zum nächsten Besuch. Der findet wahrscheinlich zum 250. Jubiläum statt und wer dann wen besucht, dürfte im Dunkel liegen. Auch der Abteilung „Vorwahlkampf mal preiswert“ zuzurechnen ist wohl die heute stattfindende feierliche Umbenennung des seit Jahren existierenden AWO-Pflegeheims Dockstraße in Ella Ehlers-Haus. Gibt doch die Aktion Hans Koschnick Gelegenheit, nicht nur zum Kirschgeist auf Kosten des Hauses sondern auch zur Festansprache, und Peter Sakuth wiederum darf mit einem Grußwort aufwarten. Eine wohlgeplante Inszenierung, aber wahrscheinlich kuckt wieder kein Schwein.

Disqualifiziert haben sich einmal mehr Bürgerschafts-Vizin Anneliese Leineman und angeblich dreißig weitere Abgeordnete mit einer interfraktionellen Beschwerde über den unschuldigen Duft einer köchelnden Fischsuppe in der Kantine des Hohen Hauses. Zu preisen ist hier allerdings das entschiedene Veto des kulinarisch versierten Präsidenten Dieter Klink gegen den Bannstrahl der Fischverächter! Ach Anneliese, ach Anneliese... es kann eben anno 1991 nicht alles so riechen wie die nostalgische Duftkomposition Ihrer karrierestiftenden Jahre in den Hinterzimmern der Ortsvereinspolitik. Diese brisante Mischung aus Uralt Lavendel und Wella Flott, Ernte 23 und Springer Urvater, Männerschweiß und Hemelinger Spezial — verantwortlich für den Bau von Tenever ebenso wie für Rise and Fall of Neue Heimat.

Ein Fleißkärtchen verdient hat in dieser Woche wieder Frau Sabine Uhl: Von rund 40 Terminhinweisen des senatorischen Pressedienstes beziehen sich glatt 16 auf das Begrüßen, Eröffnen und Überreichen durch die Chefin des Sozialressorts. Selbst am morgigen Samstag tanzt Frauenzimmerchen Sabine auf allen Hochzeiten, besucht Begegnungsstätten auf einer all around Bremen-Tour und nimmt gar um 11h auf dem Hanseatenhof am Platzkonzert des Jugendblasorchesters teil. Als Expertin für Blech und Trommeln sozusagen.

Auch in diesen Spalten informierten wir über die Konzertierte Aktion von BILD Bremen und Schokoladenonkel Reinhold Ostendorff zur Rettung der lila Kuh. Inzwischen hat sich das undankbare Tier offenbar von den grünen Matten seiner Schweizer Gnadenbrot-Alm verflüchtigt und wird landauf, landab gesucht. Immerhin 100.000 DM Belohnung wurden ausgelobt für ehrliche FinderInnen, die das mythenträchtige Viech nicht als regenwaldschonenden Rohstoff bei Mac Donalds abliefern, sondern den derzeitigen Standort unter der Hotline-Rufnummer 17 77 77 verraten. Geschäftstüchtige Jungagrarier aus Ganderkesee, Bollen und Lübberstedt versuchen nunmehr seit Wochen, spraygefärbte Kühe im frauenbewegten Grundton als das Original Milka-Tier unterzujubeln. Staatseinschalt von Pock und Bollach auf Pock und Bollach im Bremerland will die Sache bereits vor das Brüsseler Subventionalgericht bringen. Tatsächlich aber steht die wahre Kuh als Pferd getarnt im Stall des Kleinkünstlers Thomas Franke, der sie in geduldiger Kleinarbeit als Nachfolgerin von Wirtschaftssenator Uwe Beckmeyer aufbaut.

Die Schmutzarbeit nicht der Polizei überlassen wollen die Schwachhauser Aktivisten gegen die sogenannte Drogenvilla. Ein Gröpelinger (44) wollte allerdings noch konkreter helfen: Gegen zehn Mark Stundenlohn bot er auf der Wache an der Heerstraße seine Arbeitskraft für Garten-und Malerarbeiten an und begann schon mal mit dem Auszupfen von Unkraut vor der Wache. Der polizeilichen Bitte, erst die Vertragsannahme durch den Revierleiter abzuwarten, kam der eifrige Helfer dann nach, aber nur, um kurz darauf in eigener Regie die Regelung des Straßenverkehrs zu übernehmen. Die daraufhin fällige Festnahme kommentiert der Polizeibericht „Anfängliche Hilfsbereitschaft fand so ein bedauerliches Ende“. Wir meinen: Gar nicht erst mit sowas anfangen!

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