: Ruckzuck war der Vertrag perfekt
■ Grundstücksgeschäft zwischen Senat und Sony unterzeichnet/ Regierungskoalition hat unterschiedliche Positionen zu Grundstückspreisen
Berlin. Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) soll wegen des Verkaufs eines Grundstücks am Potsdamer Platz an den japanischen Konzern Sony das Vertrauen entzogen werden. Einen entsprechenden Antrag stellte in der gestrigen Sitzung des Abgeordnetenhauses die Fraktion Bündnis 90/Grüne. Der Vertrag über das 31.000 qm große Grundstück war am Mittwoch vom Finanzsenator und Firmenvertreter bereits unterzeichnet worden. Dabei war der Preis von nur 3.210 DM/qm bei Vertretern aller Parteien auf Kritik gestoßen. Pieroth stehe, so begründete die Fraktionsvorsitzende Renat Künast gestern den Mißtrauensantrag, für einen Ausverkauf der Berliner Mitte, der Senat habe die Stadtpolitik an die Konzerne Sony und Daimler-Benz abgegeben, es drohe eine »Sonyisierung« der Stadt.
Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen und der Fraktionsvorsitzende der CDU, Klaus Landowsky, rechtfertigten den Verkauf. Landowsky begrüßte ausdrücklich, daß mit Sony einer der großen Steuerzahler nach Berlin komme. Dies sei, nach Daimler- Benz, einer der größten Ansiedlungserfolge. Diepgen warnte davor, die innerstädtischen Grundstücke des Landes »nur zu Goldgruben« zu machen. Öffentlicher Grund und Boden müsse vielmehr auf dem Markt so eingesetzt werden, daß er stabilisierend wirke. Demgegenüber forderte der Fraktionsvorsitzende der SPD, Ditmar Staffelt, eine stärkere parlamentarische Kontrolle solcher Grundstücksgeschäfte. Die Ermittlung des Verkehrswertes durch den Bausenat, wie bei Sony und Daimler-Benz, ist für Staffelt eine unzureichende Grundlage für eine Wertbestimmung.
Allerdings kommt die Forderung im Fall Sony zu spät. Denn der Vertrag enthält keine Vorbehaltsklausel, die sein Wirksamwerden von der Zustimmung des Parlaments abhängig macht. Mit der Unterzeichnung am Mittwoch ist das Sony-Geschäft rechtskräftig. Bei den Verhandlungen mit Daimler-Benz war ein solcher Vorbehalt noch üblich gewesen. Mit einem Trick, so argwöhnten gestern die Grünen, sei das Parlament ausgeschaltet worden. Pieroth habe sich eine Regelung der Landeshaushaltsordnung zunutze gemacht und das Sony-Investment kurzerhand als Industrieansiedlung deklariert. Der Vorfall ist nicht mehr rückgängig zu machen, so konzentriert man sich in der SPD-Fraktion eher darauf, zu verhindern, daß gleiches in Zukunft noch mal passiert. Denn eine Wiederholung der Vorgänge würde — nach Einschätzung der stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Achim Niklas — die Koalition nicht aushalten.
Zuvor hatte der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen in der Plenardebatte des Abgeordnetenhauses in einer Regierungserklärung eine Änderung der Grundgesetzes gefordert, um einen Zusammenschluß der Länder Berlin und Brandenburg, unabhängig von der im Einigungsvertrag gesetzten Frist von zwei Jahren, zu ermöglichen. Er kündigte zudem eine Bundesratsinitiative Berlins zur Begrenzung der Gewerbemieten und zum Kündigungsschutz an. dr
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