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John: Keine Massenabschiebungen

■ Die Ausländerbeauftragte John (CDU) über das neue Ausländergesetz, das zum 1. Juli in Kraft tritt

Mit dem Rücktritt der Ausländerbeauftragten des Bundes, Lieselotte Funcke, ist ihre Berliner Kollegin Dr. Barbara John (CDU) dienstälteste Ausländerbeauftragte der Republik. Seit Herbst 1981 kümmert sich die 53jährige um die Integration der Ausländer in der Hauptstadt. Robert Fishman sprach mit ihr.

taz: Am 1. Juli laufen auch die Berliner Abschiebestopps für Flüchtlinge aus Bürgerkriegsländern aus. Beginnen jetzt die von amnesty befürchteten Massenabschiebungen?

John: Nein. Hier ist das nicht so dramatisch. Berlin hat allen bis Dezember 89 aus Äthiopien, Afghanistan, Iran, Sri Lanka und Libanon Eingereisten eine Aufenthaltserlaubnis erteilt. Diese Leute dürfen also ebenso wie die Christen und Jeziden aus der Türkei, die bis Ende 89 gekommen sind, hier bleiben. Rund 1.500 bis 2.000 Menschen aus diesen Ländern, die erst 1990 oder 91 gekommen sind, müssen jetzt allerdings einen Asylantrag stellen, wenn sie keine Abschiebung riskieren wollen.

Das verschlechtert aber ihre Situation.

Ja. Mit dem Asylantrag kommen sie in das bundesweite Verfahren und verlieren vor allem ihre Arbeitserlaubnis.

Wie soll das Problem gelöst werden?

Ich setze auf bundeseinheitliche Regelungen. Die letzte Innenministerkonferenz am 3. Mai hat noch nichts entschieden, aber das Problem ist jetzt klar. Auf jeden Fall müssen bei einer Neuregelung der Abschiebebedingungen für Flüchtlinge aus den genannten Staaten die Bundesländer mitreden. Diese müssen nämlich die Abschiebungen durchführen.

Frau Funcke, Ihre Bonner Kollegin, hat ihr Amt frustriert aufgegeben. Verstehen Sie ihre Gründe?

Das Thema Migration ist politisch unterbesetzt. Die soziale Integration der Ausländer darf nicht allein eine Frage der Innenminister sein. In Berlin arbeitet seit zehn Jahren je ein Parlaments- und ein Senatsausschuß für Ausländerfragen. Einen solchen Ausschuß müßte der Bundestag ebenso einrichten wie einen Bund- Länder-Ausschuß zu politischen Grundsatzfragen der Ausländerpolitik.

Um diese Grundsatzfragen drückt man sich doch in Bonn. Brauchen wir nicht ein Einwanderungsgesetz, das die Immigration regelt, statt Armutsflüchtlinge ins Asylverfahren abzudrängen?

Mit unserer Bevölkerung und der geographischen Lage in der Mitte Europas können wir kein klassisches Einwanderungsland sein. Allerdings müssen wir über eine kontrollierte Zuwanderung im europäischen Rahmen nachdenken. Einige Fortschritte hat das neue Ausländergesetz gebracht. So ist das Ehebestandsjahr weggefallen, und hier aufgewachsene Jugendliche dürfen nach der sogenannten Rückkehroption wiederkommen. Allerdings muß die Familienzusammenführung großzügiger geregelt werden. Ich denke da an eine hier geborene türkische Berlinerin, die jetzt ein Kind bekommen hat und ihren Mann aus der Türkei nicht zu sich holen darf, weil er keine Arbeitserlaubnis bekommt.

Auch nach neuem Recht haben es ausländische Staatsangehörige schwer, den deutschen Paß zu bekommen. Was sollte sich da ändern?

Mit nur 18.000 Einbürgerungen im Jahr laufen wir den anderen europäischen Ländern hinterher. Das deutsche Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 muß reformiert werden. Neugeborene erhalten die Nationalität der Eltern. Ich finde, Kinder sollten den deutschen Paß bekommen, wenn ein Elternteil hier geboren ist. Die rechtliche Gleichstellung dieser dritten Ausländer-Generation würde ihre soziale Integration erleichtern. Immerhin kommen in Deutschland jedes Jahr 78.000 Kinder von Ausländern zur Welt. Das ist einer der größten Anteile am Zuwachs der nichtdeutschen Bevölkerung.

Einbürgerung löst die Probleme nicht. Wie wollen Sie der massiven Ablehnung entgegentreten, die ausländische Menschen in den neuen Ländern trifft?

Für die Unterstützung von Kontakt- und Beratungsstellen im Ostteil habe ich 800.000 Mark zur Verfügung. Ich habe noch gar nicht genügend Anträge bekommen, um das Geld auszugeben. Die Menschen, die mit Jugendlichen arbeiten, sind sehr verunsichert. Denen wollen wir mit Argumentationshilfen den Rücken stärken. Meine Mitarbeiter versuchen außerdem, die Jugendlichen mit Vorträgen und Veranstaltungen in Schulen und Jugendzentren direkt anzusprechen. Aber das braucht Zeit. Unter dem SED-Regime ist die Gesellschaft erstarrt. Wir finden dort Denk- und Verhaltensweisen wie vor 50 Jahren.

Was können die Fahrgäste tun, wenn sie Angriffe auf Ausländer in der S-Bahn beobachten?

Niemand soll sich als Held dazwischenwerfen. Aber wir haben schon oft erfahren, daß sich die Täter durch das Nichtstun der anderen bestärkt fühlen und auch deshalb immer dreister werden. Deshalb müssen Zeugen verbal intervenieren, also sagen, daß sie nicht einverstanden sind, wenn ein Ausländer zusammengeschlagen wird. Man soll auch andere Fahrgäste um Hilfe ansprechen. Wichtig ist es, sich im Kopf eine Beschreibung der Täter zu machen und das Opfer dann zur Polizei zu begleiten.

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