: »Beziehungskiste mit einem Baum«
■ Im Grenzstreifen bei Lichtenrade entsteht wieder ein Wald/ Patenschaft: Baum-Sponsoring kostet 150 Mark
Lichtenrade. Wer vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht, ist in Lichtenrade genau richtig: Tausende von Pflänzchen lassen noch nicht vermuten, daß im ehemaligen Grenzstreifen ein mächtiger Wald entstehen soll. Rund zwanzig Jahre wird es dauern, bis der Baumbestand im Naturschutzgebiet »Nachtbucht« wieder aufgeforstet ist, der einst der Mauer weichen mußte. Wer will, kann Baumpate werden.
»Das soll wie 'ne Beziehungskiste mit 'nem Baum werden«, erklärt Revierförster Stephan Parsiegla das Prinzip. Für 150 Mark konnte die Patenschaft für einen Baum übernommen werden. Die Namen der PatInnen stehen auf kleinen grünen Schildern an den Bäumen, ein Anstecker mit der Aufschrift »Baumpate« ziert die SpenderInnen, damit Baum und Mensch einander wiedererkennen. Zwar ist die »Patenschaft« rein zufällig und für das Gedeihen der Bäume völlig unerheblich, doch sollen die vermeintlich rührenden Bande zur eigenen Pflanze den Veranstaltern zu den benötigten rund 100.000 Mark verhelfen.
»Hier wächst ein Wald« verrät ein Schild neben dem Kolonnenweg, den die Grenzsoldaten für ihre Kontrollgänge nutzten. Auf dem schnurgeraden Mauerstreifen wachsen bereits rund 70.000 kleiner Bäume. Das Schild erklärt auch Genaueres: »Die Oberförsterei Ludwigsfelde, der ‘Aktive Tierschutz Berlin e.V.‚ und Umweltgruppen aus Mahlow/Blankenfelde pflanzten und pflegen hier 6,5 Hektar Wald.«
»Besonders die Schüler haben unglaublich viel geleistet«, lobte Oberförster Günter Krüger am Samstag beim Abschluß der Frühjahrsaufforstung. Etwa 6.000 Lärchen und rund 60.000 Eichen wurden seit Mitte März gepflanzt, der Abbau der Grenzanlage verlief parallel dazu. »Die Mauer wäre wahrscheinlich immer noch hier, wenn wir uns nicht darum gekümmert hätten«, vermutet Parsiegla, Revierförster von Großbeeren.
Ohne das Engagement der Nachbarn wäre es ohnehin nicht gegangen: »Jede freie Minute, ihre Ferien und die Wochenenden« arbeiteten laut Parsiegla etwa zwanzig Schüler aus Mahlow — verschiedene Bürgerinitiativen, Umweltgruppen und ein Imkerverein beteiligten sich. Um die Kosten niedrig zu halten, wurden Jungpflänzchen an bereits dicht bewachsenen Stellen ausgebuddelt und im Grenzstreifen wieder eingegraben. Nur von den preiswert arbeitenden Soldaten aus dem Osten, die sich tatkräftig an den Aufforstungsarbeiten beteiligt haben, will keiner mehr etwas wissen.
Genauere Kenntnis haben die Naturschützer von ihrer Zukunft: Als nächstes soll der »rote Dudel« aufgeforstet werden, wie das gut vier Hektar große Gebiet am südlichsten ehemaligen Westberliner Grenzstreifen genannt wird. Noch sucht die Ludwigsfelder Oberförsterei aber dringend PatInnen, die schon immer gerne eine Beziehungskiste mit einem Baum eingehen wollten. Christian Arns
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