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INTERVIEW»Ich habe Zweifel an seinem Erneuerungswillen«

■ taz-Inteview mit der PDS-Fraktionärin Marion Seelig zur Affaire um den Berliner PDS-Vorsitzenden Wolfram Adolphi

Berlin. Der Berliner PDS-Vorsitzende und Abgeordnete Wolfram Adolphi gerät nun auch in seiner eigenen Fraktion unter Beschuß. Marion Seelig, die der PDS-Fraktion als Mitglied der Vereinigten Linken angehört, verlangt eine Diskussion, ob Adolphi sein Mandat nicht niederlegen sollte. Der Hintergrund: Reinhard Schult vom Neuen Forum hatte dem PDS-Chef vorgeworfen, noch Ende November 1989 als Elternbeiratsmitglied an der Heinrich-Mann-Oberschule eine SED-treue Schulrektorin verteidigt zu haben, obwohl diese eine regimekritische Schülerin bei der Schulbehörde angezeigt hatte. Adolphi verteidigte sich gegenüber der taz mit den Worten, die Rektorin habe nur »nach Recht und Gesetz« gehandelt.

taz: Frau Seelig, Reinhard Schult fordert im Zusammenhang mit neuen Vorwürfen Wolfram Adolphi auf, sein Abgeordnetenmandat niederzulegen. Teilen Sie diese Forderung?

Marion Seelig: Zumindest sind mir einige zusätzliche Bedenken gekommen. Wenn man, wie Herr Adolphi, mehrmals politische Fehler macht, dann müßte man zumindest nachdenken, ob diese Forderung nicht richtig ist. Kritikwürdig und nicht im Sinne einer gemeinsamen Opposition gegen die Große Koalition empfinde ich allerdings das Vorgehen von Reinhard Schult: Er hat diese Vorwürfe öffentlich gemacht, ohne zuvor mit Adolphi darüber zu sprechen.

Aber Schults Vorwürfe selbst halten Sie für schwerwiegend?

Zumindest die Antworten, die Herr Adolphi gegenüber den Medien gegeben hat, halte ich für sehr schwerwiegend. Wenn man 1989 noch nicht begriffen hatte, daß der Rahmen der DDR-Gesetzlichkeit etwas Fragwürdiges war und dies heute unreflektiert als Entschuldigung verwendet, dann habe ich damit große Probleme.

Adolphi ist seit der Wende in der PDS immer als Erneuerer angetreten. Muß man nicht den Eindruck gewinnen, er sei nur ein Wendehals?

Dieser Begriff wird mir zu beliebig verwendet. Aber natürlich kommen mir nach diesen Äußerungen Zweifel an seinem Erneuerungswillen. Interview: hmt

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