: Abschiebungen nicht ausgeschlossen
■ Bundesländer können sich nicht über generellen Abschiebestopp nach Jugoslawien einigen/ Baden-Württemberg schiebt drei Asylbewerber ab/ Immer mehr jugoslawischen Asylsuchende
Berlin (taz) — Nach wie vor wird „im Prinzip von Reisen nach Slowenien und Kroatien abgeraten“, heißt die Stellungnahme des Auswärtigen Amtes. „Von einem Grenzübertritt ist dringend abzuraten“, warnt auch der tägliche „aktuelle Informationsdienst des ADAC zu den Unruhen in Jugoslawien“. Doch wo deutsche Urlauber per Sonderfähre aus dem Balkanland „gerettet“ werden, findet gleichzeitig ein — wenn auch unfreiwilliger — Reiseverkehr in Richtung Krisenherd Jugoslawien statt: am vergangenen Freitag hat Baden- Württemberg drei abgelehnte Asylbewerber nach Zagreb verfrachtet. Offizielle Begründung: Kroatien sei nicht von den Kriegswirren betroffen.
Außerdem würden ja auch die anderen Bundesländer weiter abschieben. Noch am Dienstag waren auch in Nordrhein-Westfalen für den kommenden Freitag Abschiebungen von jugoslawischen Asylsuchenden geplant. Inzwischen sind dort die Ausländerbehörden jedoch angewiesen, jeden Fall dem NRW-Innenministerium zur Prüfung vorzulegen, was einen faktischen Zeitgewinn bedeutet.
Trotz drastischer Lageberichte des Auswärtigen Amtes konnten sich die Bundesländer bisher nicht auf einen auch nur kurzfristigen generellen Abschiebestopp verständigen. Nach Informationen der taz sollen vor allem die SPD-regierten Bundesländer Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen Bedenken gegen den Abschiebestopp erhoben haben. Das niedersächsische Innenministerium will jedoch mit „verwaltungssteuernden Maßnahmen“ dafür sorgen, daß zumindest in den kommenden fünf Tagen faktisch keine Abschiebungen stattfinden. Hessen und Rheinland-Pfalz haben sich noch nicht entschieden, wie man mit dem Problem umgehen will. — Währenddessen stellten jugoslawische Flüchtlinge im vergangenen Monat die größte Gruppe der Asylsuchenden in der Bundesrepublik. Wie das Bundesinnenministerium gestern bekannt gab, stellten im Juni 3.507 jugoslawische Staatsangehörige einen Asylantrag, im Mai waren es rund 800 weniger gewesen. Insgesamt ist die Zahl der Asylbewerber im Juni gegenüber dem Vormonat um rund 2.000 auf 16.554 gestiegen. Nach den Jugoslawen stellen die Rumänen die zweitgrößte Flüchtlingsgruppe. Insgesamt kam mehr als die Hälfte der Asylsuchenden im ersten Halbjahr 1991 aus den Staaten Ost- und Südosteuropas. Das Zirndorfer Asylbundesamt hat 1991 deutlich mehr Asylanträge positiv beschieden als im Vorjahr. Die Anerkennungsquote stieg auf — immer noch sehr niedrige — 7,9 Prozent. Ve.
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