piwik no script img

Zur Rolle der Ägyptologie in der Popgeschichte

■ »Pharaonen-Dämmerung« im Ägyptischen Museum

»Ich finde nicht, daß man sich mit der Ausstellung überhaupt ernsthaft auseinandersetzen sollte — jeder lange Artikel ist da schon zuviel der Aufmerksamkeit«. So dasUrteil einer Studentin über die »Pharaonen- Dämmerung« gegenüber des Schlosses Charlottenburg. Zusammen mit 50 anderen hat sie über die Uni-Arbeitsvermittlung einen Job bei der »Fondation Mécènat Science et Art« aus Strasbourg gefunden, die das »Unternehmen« in Kooperation mit dem Ägyptischen Museum Berlin veranstaltet.

»Das Merchandising ist der Riesenhammer an der ganzen Geschichte«, bringt ein anderer das Ausstellungskonzept auf den einfachen Nenner. Tatsächlich: Mit ihrer poppig multimedialen Inszenierung der Ägyptologie bringen die Franzosen zwar frischen Wind ins biedere Museumsleben, doch letzten Endes ist ihnen wohl mehr daran gelegen, mit Wissenschaft und Kunst Reibach zu machen. Die Protagonisten einer staatlich subvntionierten »Kultur für alle«-Ideologie haben Konkurrenz bekommen. Längst sind geschickte Marktstrategen auch in klassische Felder der Kunstvermittlung eingebrochen, die bisher oft allzu trocken von Museumsdirektoren monopolistisch verwaltet wurden. Mit ihrer »Pharaonen-Dämmerung«, für Jung und Alt gleichermaßen verständlich, huldigen die profitorientierten Veranstalter einem möglichst breiten Publikum. Für diese gelungene Promotion-Stategie kassiert nun die »Fondation«, anstatt Standgebühren abzudrücken, gar Zuschüsse vom Ägyptischen Museum.

Neben einigen Papyrus-Rollen, etlichen Statuen, Stelen und Schmuckaccesoires präsentiert die Ausstellung natürlich auch echt antike Exponate aus dem wüsten Reich der Pharaone. Höhepunkt der »Dämmerung« ist neben der Löwenstatue des Tutanchamun sicher auch das Tempeltor von Kalabscha, das hier in Berlin wieder aufgebaut wurde.

Wichtiger aber ist der Wirbel um die Bildung. Am Eingang werden alle Besucher — wie es sich für moderne Kulturpilgerer gehört — mit Kopfhörern ausgestattet, über den die Erläuterungen wahlweise auf englisch oder deutsch empfangen werden können. Los geht es allerdings mit Peter Gabriels Soundtrack zu Scorceses Film »The last Temptation of Christ«. Aber auch zwischendurch erklingt immer mal wieder die percussive Ethnomusik, die das arabische Ambiente aus Styropor, Pappmaché und gefärbten Stoffen geschickt untermalt.

In Beduinenzelt-Imitationen und Plastik- Pyramidengängen wird der Besucher per Videoclips in die Entstehungsgeschichte der Ägyptologie eingeweiht. Weil Lepsius für viele zum Straßennamen irgendwo in Wilmersdorf verkommen ist, belehrt der Kopfhörer, daß Karl Richard — so der Vorname des preußischen Gelehrten — nicht nur im 19. Jahrhundert die deutsche Ägyptologie begründete, sondern nebenbei auch über beste Kontakte zum Hof verfügte. Im Mittelpunkt der »Dämmerung« steht dann allerdings Jean Francois Champollion, der als Vater dieser Wissenschaft gilt. Als erster Europäer mühte sich der Franzose zeit seines Lebens, ägyptische Idiogramme (Zeichnungen und Schriftzeichen) zu entschlüsseln.

Wen kümmert es bei soviel Firlefanz noch, daß der Titel der Austellung in die Irre führen muß. Statt einer Reise durch die ägyptische Mythologie wird dem Publikum die freilich recht unterhaltsame Entstehungsgeschichte einer Wissenschaft angeboten.

Besonders markant wird der kommerzielle Charakter am Anfang und am Ende des Rundganges. Gestaffelt von 12 bis zu 5 DM haben die Eintrittspreise nichts mehr von dem niedrigen Niveau staatlich subventionierter Museen. Und bevor die Besucher nach der »Dämmerung« wieder ins Freie gelangen, führt sie der Weg unvermeidlich in die sogenannte »Buchhandlung«: Wie schon am Einlaß regiert hier ungeniert die Registrierkasse. Nur konsequent also, daß die Angestellten da, durch Umsatzbeteiligung animiert, zu kleinen Maketingstrategien herangezogen werden. Neben dem obligaten Ausstellungskatalog und etlichen Büchern zur ägyptischen Mythologie verhökern sie so auch T-Shirts und Socken mit aufgedruckten Hieroglyphen. In Glasvitrinen werden zudem Nachahmungen ägyptischer Stelen, Statuen und Büsten zu Höchstpreisen angeboten. Für das schmalere Portemonaie gibt es an der Kasse, und damit schließt sich der Kreis des Ausstellungsrundgangs wieder, Bleistifte, Lesezeichen und Blech-Sakrophage. Andreas Kaiser

Bis 20.10., Schloßstr. 17, 1-19, Mo-Do 9-21.30, Sa/So 10-21.30 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen