Im Osten mehr, im Westen weniger Arbeitslose

■ Die Arbeitsmarktstatistik im Juni: Entwicklung weiterhin gegenläufig/ Hoch der Erwerbslosigkeit im Osten noch nicht erreicht / Arbeitsamtsdirektor der Nordostbezirke beklagt »Initiativlosikeit« bei der Erfindung von ABM-Stellen

Berlin. Trotz verstärkter Bewegungen auf dem Arbeitsmarkt ist die Zahl der Arbeitslosen in Berlin- Brandenburg im Juni nahezu unverändert geblieben. Dabei setzten sich unterschiedliche Trends in den einzelnen Regionen fort. Der Arbeitsmarkt in Berlin entwickelte sich weiter gegenläufig: Während im Westteil der Stadt Ende Juni 90.863 Arbeitslose und damit etwas weniger als im Mai registriert wurden, nahm die Zahl der Arbeitslosen im Ostteil um 1.477 auf 81.428 zu. Die Arbeitslosenquote in West-Berlin sank von 9,3 auf 9,2 Prozent, in Ost-Berlin stieg sie von 11,2 auf 11,4 Prozent, teilte das Landesarbeitsamt Berlin- Brandenburg am Donnerstag mit.

In Prenzlauer Berg, Weißensee und Pankow, so konstatierte gestern der für diese Bezirke zuständige Direktor des Ostberliner Arbeitsamtes II, Dr. Gerhard Rosenkranz, sei »die negative Entwicklung schon etwas weiter als in anderen Bezirken«. Während im Südosten Berlins, wo eine Reihe von der Treuhand verwalteter Großbetriebe gelegen ist, noch die Kurzarbeiterzahlen dominierten, hätte man es im Norden bereits mit offener Arbeitslosigkeit zu tun. Die erwarteten langen Schlangen nach dem Ende der »Warteschleife« am 1. Juli seien vermieden worden, weil viele Menschen schon im Juni zur Beratung gebeten worden waren. Auch in die Statistik, die dadurch voraussichtlich sprunghaft in die Höhe klettern wird, gehen die Betroffenen erst nach diesem Monat ein.

Rosenkranz beklagte, daß es gerade in vielen von Reduktion oder Abwicklung bedrohten Unternehmen an Initiativen zur Schaffung von privaten Arbeitsförderungsgesellschaften oder ABM-Plätzen mangele. Während etwa in seinem Amtsbereich Mittel zur Finanzierung von rund 8.000 ABM-Stellen zur Verfügung stünden, hätte das Arbeitsamt derzeit jedoch nur 1.220 solcher Maßnahmen bestätigen können.

Seinen Optimismus jedoch wollte der Arbeitsamtschef sich nicht nehmen lassen. In den »letzten drei Wochen«, so verkündete er im Stile einstiger SED-Diktion, gehe »es wirklich nach vorn los«. Die »Zusammenarbeit mit dem Territorium« klappe nämlich genauso hervorragend wie die mit den gesendeten Westlern. Den derzeit noch 20.000 betreuten »Leistungsempfängern« in seinem Verwaltungsbereich könne er 12.000 Weiterbildungs- oder Umschulungsmaßnahmen anbieten, und wenn etwa Pressevertreter auf der Suche nach dem »positiven Beispiel« seien, dann könne ihnen gern geholfen werden.

Eine für Ausbildung zuständige Mitarbeiterin des Amtes wies darauf hin, daß für dieses Jahr noch 133 offene Lehrstellen, darunter in Bau- und EDV-Berufen, vermittelt werden könnten.

Der Rückgang der Arbeitslosigkeit in West-Berlin sei geringer gewesen als zu dieser Jahreszeit üblich. Im Vorjahr hatte die Arbeitslosenquote bei 9,0 Prozent gelegen. Das Landesarbeitsamt führte diese Entwicklung auf ein stark gestiegenes Arbeitskräfteangebot aus dem Ostteil Berlins und dem Umland zurück, das seit Monaten den Arbeitsmarkt in West-Berlin beeinflusse. Im Ostteil Berlins meldeten sich im Juni mehr Personen arbeitslos als im Mai, vor allem aus Verwaltungen, der Elektrotechnik und dem Maschinenbau. Zugleich habe sich die Nachfrage nach Arbeitskräften im Baugewerbe, aber auch durch ABM leicht erhöht.

Die Kurzarbeiterzahl sank im Westteil Berlins auf 2.466 und liegt damit weiterhin auf sehr niedrigem Niveau. Im Ostteil verringerte sie sich geringfügig auf 88.492. In beiden Stadthälften sei der Rückgang hauptsächlich auf weniger Arbeitseinschränkungen im Baugewerbe zurückzuführen, hieß es. dpa/taz