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Schon 86 Drogentote in sechs Monaten

■ Jugendsenator Krüger kommentierte die Zunahme von Drogenabhängigen/ Weder Legalisierung noch Methadon-Programm geplant/ Sieben Prozent der Ostberliner Jugendlichen alkoholgefährdet

Berlin. Ein 17jähriger setzte sich den Goldenen Schuß. 14jährige Mädchen gehen auf den Babystrich, um ihre Sucht zu finanzieren, andere betteln ihre Eltern und Verwandten an, um an den so dringend benötigten Stoff zu kommen. 86 Drogentote in Berlin sind die traurige Bilanz der ersten Hälfte dieses Jahres. Nach offiziellen Schätzungen sind 7.000 bis 8.000 BerlinerInnen von harten Drogen abhängig.

»Sensibel und offensiv« will nun Jugendsenator Thomas Krüger (SPD) auf die anhaltende Drogenproblematik reagieren. Auf der Grundlage einer vom Bundesministerium für Gesundheit erstellten Studie über den Drogenkonsum und -mißbrauch von Jugendlichen stellte er gestern seine Konzeption für Drogenarbeit in Ost-Berlin der Presse vor. Hatten noch 1986 nur 13 Prozent der Jugendlichen zwischen 15 und 17 Jahren einschlägige Erfahrungen, so waren es im vergangenen Jahr bereits 19 Prozent. Abgenommen hat gleichzeitig der Drogenkonsum der 18 bis 21jährigen.

In Berlin werde es weder eine Legalisierung, noch ein flächendeckendes Methadon-Programm geben, stellte er klar. Statt dessen setzt er auf verstärkte Prävention, auf Streetworker und Suchtarbeit in den Schulen sowie eine verbesserte Forschung. Letztere hofft Krüger an der Humboldt-Uni durchzusetzen: »Es wäre einmalig, wenn wir dort einen Lehrstuhl für Suchtforschung einrichten könnten.«

Im Ostteil der Stadt plant Senator Krüger, noch in diesem Jahr flächendeckende Angebote zur Drogenarbeit zu installieren. Nach der Devise »Fortentwicklung durch Zellteilung« sollen bereits bestehende Initiativen im Westteil nun auch im Osten eigenständige Stellen aufbauen. So ist die Kreuzberger »Schnüfflerhilfe« bereits dabei, eine Anlaufstelle im Ostteil aufzubauen. Ferner ist in den Ostberliner Bezirken der Einsatz mobiler Teams zur Suchtprävention geplant. In Marzahn und Hohenschönhausen soll mit 14 ABM-Stellen der Aufbau einer effektiven Antidrogenarbeit gewährleistet werden. Geplant ist unter anderem ein mobiler Beratungsbus. In den Griff bekommen will Jugendsenator Krüger allerdings auch den steigenden Alkoholkonsum in Ost-Berlin: Dort gelten rund sieben Prozent der Jugendlichen als stark alkoholgefährdet.

Weiterfinanziert werden sollen Vereine wie »Freizeit ohne Drogen e.V.«, die in Abkehr von der alten Praxis den Alkoholausschank in ihren Jugendklubs eingestellt haben. Außerdem werden sowohl der Caritas-Verband wie auch Synanon mit Drogenberatern und Thearapieplätzen verstärkt in die Ostberliner Drogenarbeit eingreifen.

Mit einem weiteren Ausbau der bestehenden Antidrogenprojekte im Westteil ist allerdings im Hinblick auf die »fiskalisch kritische Situation« (Krüger) momentan nicht zu rechnen.

Jeannette Goddar

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