: Sonnenbrand in Bremen
■ Ozonloch und Krebsgefahr - kein Thema für SonnenanbeterInnen
Heute nacht kratzt das LakenTristan Vankann
Kaum knallt sie vom Himmel, werfen die Leute ihre Kleider ab und recken Bauch und Beine in die Sonne. Monika (34) zum Beispiel läßt in der Mittagspause ihr Essen Essen sein, schnappt sich den Badeanzug und fährt zum Osterdeich: „Ich bin ausgehungert nach Sonne“, sagt sie und blinzelt vom Handtuch hoch. Teenager Viola setzt mit ihren beiden Hunden mit der Fähre über. Aus ihrem T-Shirt ragen knallrote Arme, ein krebsroter Nacken her
hier bitte
den Rücken
vor. „Ich sitze sonst immer im Schatten“, beteuert Viola. Nur am ersten Sonnentag war sie ohne Cremeschicht ins Schwimmbecken gestiegen: „Das passiert mir jetzt nicht mehr.“
In der Apotheke gegenüber gaben sich gestern die Sonnenopfer die Klinke in die Hand: „Wir hatten bis zum Mittag zehn Fälle, bei denen die Epidermis schon geschädigt war“, erzählt die Apothekerin. Sie verkauft den Sonnenbrand-Geschädigten dann antiallergisches Gel. „Die Leute sind unvernünftig. Schutzcremes mit hohem Lichtschutzfaktor sind denen zu teuer.“
Buttermilch- oder Joghurtpakkungen empfiehlt dagegen das Clübchen älterer Damen im Licht-Luft-Bad. Das ist ein altes Hausmittel, um den gestörten Säureschutzmantel der Haut zu regenerieren. „Ich kriege gar keinen Sonnenbrand mehr“, berichtet Ursula (62), die schon seit Jahren zu den Dauergästen des idyllischen Gartens für nackte SonnenanbeterInnen gehört. Mit 18 an der Ostsee, da habe sie sich einmal gehörig verbrannt — mit Blasen auf Brust und Po. Aber seitdem nicht mehr. „Ich guck immer, ob irgendwo am Körper ein schwarzer Punkt auftaucht.“ Aber solange nichts kommt, gehe sie auch in die Sonne. „Ich brauch die Sonne zum Wohlfühlen. Ist ja auch gesund — für Knochenbau, Vitamin D und so“, meint Ursula. Creme nehme sie nur hinterher — auch wegen der Falten.
Auf der Cafe-Terrasse im Licht-Luft-Bad zeigen Karin und Dieter (zwei Mittvierziger) stolz ihre gerade aus Formentera mitgebrachte Bräune. Wie viele andere meinen auch sie: Die Sonne sei „aggressiver“ geworden, steche mehr als früher, man werde auch schneller braun und habe im Gegensatz zu früher auch schon Sonnenallergien gehabt. Und beinahe alle versichern: Beim Kauf von Sonnenschutzmitteln spielt der Lichtschutzfaktor eine große Rolle.
„Bei uns sind die Regale leer“, beschreibt die Verkäuferin im Naturkosmetikladen „Spinnrad“ die Folgen des sonnigen Überraschungsangriffs auf die BremerInnen. Gerade AllergikerInnen kommen aus ganz Bremen und dem Umland, um sich ihren Sonnenschutz selbst zu mixen — z.B. mit Zimtsäureester: „Denn meistens sind in der herkömmlichen Kosmetik die Emulgatoren in Verbindung mit Sonne schuld an den Allergien.“
Dorothea (33) gesteht im Kreis ihrer Freundinnen: „Man traut sich gar nicht mehr in die Sonne, um einfach nur Energie aufzutanken.“ Hautkrebs, Ozonloch — „Ist doch erschreckend, daß einem alles verboten wird.“ Ihre Freundin hingegen sagt: „Ich mach mir da keinen Kopf. Ich lebe dieses Leben und dann will ich auch in der Sonne liegen, wenn's warm ist. Deswegen pack ich mich doch nicht zu bis zum Hals.“ ra
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen