: „Mafia will sich Rechtsgrundlage geben“
■ Verkehrsplanungsbeschleunigungsgesetz: Juristisch unhaltbar und für die Umwelt ein Skandal
Dresden (taz) — Mit einer landesweiten Unterschriftensammlung, „Beschleunigung ja — Ermächtigung nein!“, protestiert die Grüne Liga gegen das sogenannte Beschleunigungsgesetz. Das von Bundesverkehrsminister Krause (CDU) für die neuen Länder erarbeitete Planungsrecht soll am 21.September den Bundestag passieren. Es würde, so die Grüne Liga, bundesweit geltendes Recht beschneiden und Entscheidungsbefugnisse beim Minister zentralisieren.
Auf einer Anhörung, zu der die Fraktion Bündnis 90/Grüne des sächsischen Landtages eingeladen hatte, wertete Wilfried Telkämper (Grüne), Vizepräsident des Europaparlaments, das Gesetz als „juristisch nicht haltbar“. Es verstoße sowohl gegen EG-Recht als auch gegen Bundesrecht, wenn die Öffentlichkeit erst im fortgeschrittenen Stadium der Planung gefragt werde.
Die von der EG geforderte frühzeitige Umweltverträglichkeitsprüfung werde nicht berücksichtigt. Mit Krauses Gesetz wolle sich „die Mafia“ in der ganzen Bundesrepublik eine Rechtsgrundlage für hemmungslosen Straßenbau geben. Einen Minister, der „handstreichartig“ Gesetze außer Kraft setzen wolle, „sollten wir uns nicht mehr lange leisten“.
Für Erneuerung und Ausbau von Trassen seien nicht die von Bundesverkehrsminister Krause monierten aufwendigen Planungsverfahren nötig, erklärte Verkehrsplaner Peter Wyderka aus Hannover. Die Bremse für zügige Planung sei nicht das Planungsgesetz, sondern die Kluft zwischen Planungsvorhaben und Investhaushalt des Bundes. Vor allem aber würden Umweltaspekte zu spät und nur aus Verkehrssicht in die Planung einbezogen. Wyderka verlangte, alle Ressorts sowie die anerkannten Verbände frühzeitig einzubeziehen.
Der Verkehrsminister würde die Ökologie nur als Verzögerer von Planung behandeln. Das Ergebnis sei eine „Ermächtigung zum Massencrash“, bezeichnete der Berliner Verkehrsplaner Dirk Oblong, Mitarbeiter der hessischen Grünen, das Werk. Schon immer habe man im Westen auf die Autoflut mit Straßen und auf die Bahnmisere mit Stillegungen reagiert. Auf die Lieblingsformel aller Autobahnpolitiker eingehend, erklärte Oblong, es sei ein Irrglaube, daß Magistralen einen wirtschaftlichen Aufschwung für die Region brächten. „Sie benutzen nur die Regionen, um die Zentren zu stärken.“ Den Beweis habe der Westen längst gebracht. Verkehr müsse von der Politik gesteuert werden, das brauche den Druck von unten. Verkehr zu sparen und nicht noch mehr Verkehr zuzulassen sei die zu fordernde politische Zielvorgabe.
Bündnis 90/Grüne und Grüne Liga hoffen nun auch auf die Stimmen der SPD im Bundesrat gegen das Beschleunigungsgesetz und auf den Widerstand der Straße. Für phantasievolle Aktionen ließen sie sich in Dresden juristisch beraten. Noch bevor Krauses „Ermächtigungsgesetz“ in Kraft treten kann, wird es in Sachsen offenbar schon angewendet. Nach Aussagen des Abteilungsleiters Straßenverkehr im Wirtschaftsministerium, Rohde, hat eine Consult GmbH am 26.Juli eine Studie über die Verlängerung der A4 von Bautzen nach Görlitz vorgelegt. Am 2.Juli haben alle Bürgermeister der betroffenen Gemeinden einer Nordumgehung der Königshainer Berge zugestimmt. Für den 10.Juli ist eine „Behördenabstimmung“ vorgesehen, und am 12.Juli erst sollen sich die Verbände und die Öffentlichkeit äußern. Bereits am 16.Juli will Rohde nach Bonn fahren (mit dem Auto), um die Linienführung förmlich zu beantragen. Klaus Gaber (Bündnis 90/Grüne) erinnerte daran, daß seine Fraktion, die Umweltverbände sowie örtliche BürgerInneninitiativen seit langem auf der öffentlichen Diskussion mehrerer Varianten für die Umgehung der Berge bestehen.
Die Nordvariante würde irreversibel in seltene Biotope eingreifen. Klaus Gaber sagte, unterderhand werde im Wirtschaftsministerium auch die Variantendiskussion für die Autobahn Dresden-Prag als abgeschlossen betrachtet. Alle Anzeichen sprechen für eine Trassierung durch die Sächsische Schweiz zum Grenzübergang Rosenthal. Damit wäre nicht nur der Einspruch der Schutzgemeinschaft Sächsische Schweiz und der Grünen Liga gegen die Betonierung im Landschaftsschutzgebiet abgeschmettert; auch die verhängnisvolle Trassierung über die Dresdner Südhöhen wäre beschlossene Sache. dek
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen