: Im Reich der rollenden Schuhe
■ Norddeutschlands RollkunstläuferInnen gegen Tennis-und Wettergötter
“Als ich klein war, wollte ich immer mit Rollschuhen auf die Straße — bis es meiner Mutter zu gefährlich wurde und sie mich in einen Verein schickte.“ Die 16jährige Claudia Zierke steht seit zwölf Jahren auf Rollschuhen.
Die junge Hamburgerin ist eine von über hundert Rollkunstläuferinnen, die am Wochenende in der eisfreien Bremer Eislaufhalle zu den Norddeutschen Meisterschaften antraten. Für die Veranstaltung hat Claudia — sie tritt bei den Juniorinnen an — einige kostbare Ferientage geopfert, aber das macht ihr nichts aus. Schließlich hatte sie in den Wochen zuvor täglich geübt, um in Bremen gut abzuschneiden, „denn ohne vernünftige Vorbereitung kommst du hier nicht weit.“
Rollkunstlauf erfordert nun einmal intensives Training, die Aktiven müssen wahre „Allroundsportler“ sein: Ballettkenntnisse sind erforderlich, denn ein Rollkunstprogramm verlangt Tanzschritte zur Musik. Weil Kunstlauf aber nicht allein von grazilen Bewegungen lebt, sondern darüberhinaus waghalsige Pirouetten und Sprünge fordert, braucht der Kandidat eine gehörige Portion akrobatischen Geschicks. Außerdem ist eine Bärenkondition unerläßlich — ein vierminütiges Kürprogramm geht gewaltig an die Substanz.
Rollkunstlauf: ohnehin schweißtreibendFoto: Tristan Vankann
Trotz aller Trainingsfrohn der Aktiven stößt der Rollkunstlauf auf wenig Gegenliebe in der Öffentlichkeit: Die Zuschauerzahlen bei den Norddeutschen Meisterschaften waren dürftig, das Publikum rekrutierte sich größtenteils aus Angehörigen der StarterInnen. Bärbel Kaminski, Bremer Fachwartin für Rollkunstlauf, haderte deshalb auch mit allen Tennis-und Wettergöttern: „Bei dieser Hitze liegen die meisten ohnehin im Schwimmbad, und mit Boris und Steffi live aus Wimbledon können wir sowieso nicht konkurrieren.“
Verpasst haben die Ferngebliebenen eine ganze Menge: Besonders die Paarlauf-Champs Pamela
Hier bitte die Rollschuh
läuferin
Schlechter/Alexander Hoßfeld aus Bremerhaven. Die beiden zeigten im vierten Jahr ihrer Zusammenarbeit die wohl beste Kür der Karriere und wurden überlegen Norddeutscher Meister.
Übel sieht es dagegen im Osten aus. Nur ein einziger Vertreter aus den neuen Ländern verirrte sich nach Bremen — der Potsdamer Axel Bönick . Der Grund: Weil Rollkunstlauf nicht im olympischen Programm enthalten ist, wurde er in der DDR überhaupt nicht gefördert. Die Eleven aus dem Osten sind daher momentan noch nicht konkurrenzfähig — der wackere Bönick landete weit abgeschlagen unter „ferner rollten“. Holger Gertz
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