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Drogentod — oft nach Knast oder Therapie

■ Großangelegte Studie erforscht Leben und Sterben der Junkies in Bremen, Hamburg und Berlin

Die 31. Drogentote, die vor drei Tagen im Park in der Weberstraße gefunden wurde, starb während einer Therapie. Seit November lebte die 33 Jahre alte, aus Gießen stammende Frau in einem Therapiezentrum außerhalb von Bremen. Als sie mit einer Gruppe „zu Studienzwecken“ im Raum Delmenhorst unterwegs war, setzte sich die Frau nach Bremen ins Viertel ab. Mit diesen Informationen ergänzte die Pressestelle der Polizei ihre Meldung vom Vortag. Eine Information, die sicher auch Frauke Claussen interessieren wird.

Frauke Claussen arbeitet seit über einem halben Jahr an einer Studie zur Drogenmortalität in Bremen. Das Bundesgesundheitsministerium finanziert die Studie, die gleichzeitig in Bremen, Hamburg und Berlin durchgeführt wird und auf eine Initiative von Gesundheitssenatorin Vera Rüdiger zurückgeht. Um präventiv tätig werden zu können, wollte die Senatorin mehr über Drogentod und die Drogentoten in Bremen erfahren. „Die Wissensdefizite in diesem Bereich sind enorm. Ähnliche Untersuchungen gibt es bisher nicht“, bestätigt dann auch Hans- Jürgen Haensen aus dem Team der drei SozialwissenschaftlerInnen, die über das Berliner „Sozialpädagogische Institut“ (SPI) die Forschung betreiben.

Gemeinsam mit den rechtsmedizinischen Instituten der drei beteiligten Städte versucht das Team, das Leben, die Drogenkar

Tödliches BesteckFoto: Jörg Oberheide

riere und den Tod der Abhängigen nachzuzeichnen: Die Rechtsmediziner sind für die chemisch- toxikologische Analyse der Todesursache zuständig. Die Sozialwissenschaftler befragen die Angehörigen und Partner, sowie die Drogeneinrichtungen und Beratungsstellen, zu denen die Abhängigen Kontakt hatten.

Schon nach Abschluß der Vor

studie bestätigen sich erste Vermutungen: Besonders gefährdet sind „Abstinenzler“, also Abhängige, die entweder aus dem Knast, aus dem Krankenhaus, aus Therapieeinrichtungen oder irgendeiner anderen Form des Entzugs auf die Szene zurückkommen: Bei der Hälfte der untersuchten Fälle liegen zwischen dem letzten Entzugstag und dem

Todestag maximal 20 Tage. Genau dort setzen die Forscher mit ihren Fragen an: Starben sie, weil sie die Stoffzusammensetzung falsch einschätzten, oder weil sie sich bewußt einen „goldenen Schuß“ setzten, denn so Haensen, „das sind Altfixer, die wissen, daß sie nicht wieder mit der alten Portion einsteigen können.“

In der Pilotphase zeichnete sich

außerdem ab: Es sterben mehr Drogenabhängige in ihrer Wohnung als erwartet wurde. Außerdem liegt die Selbstmordrate wahrscheinlich höher als gedacht, denn Angehörige und Freunde berichten oft von entsprechenden Andeutungen, während die Polizei in der Regel nur von einem Suizid ausgeht, wenn sie einen Abschiedsbrief findet.

„Die Studie soll den Betroffenen helfen. Letztlich wollen wir die Zahl der Drogentoten senken. Denn hinter jeder Nummer steht ein Mensch“, sagt Haensen. Überraschend aufgeschlossen hätten sich auch die Eltern gezeigt und sich bereitwillig auf die drei bis vier Stunden dauernden Gespräche eingelassen. „Für sie ist das auch eine Form der Sinnfindung: Wofür ist mein Kind gestorben?“, beschreibt Haensen seine Erfahrungen.

In Elterngruppen sind Eltern, deren drogenabhängige Kinder starben, nicht mehr erwünscht: Sie machen den anderen Angst, für die der Drogentod immer als Schreckensbild über der Gruppe schwebt. Manche Eltern können im Gespräch mit den ForscherInnen dann auch das erste Mal über den Tod ihres Kindes reden.

In Bremen und Hamburg soll das Projekt in seiner Hauptphase noch ein drittes Standbein erhalten. Hier wollen die ForscherInnen über die rechtsmedizinische und die autobiographische Untersuchung hinaus auch die Drogennotfälle befragen: noch im Krankenhaus. Diese „potentiellen Drogentoten“ könnten wichtige Hinweise auf Risikovariablen geben.

Anderthalb Jahre soll das Projekt insgesamt laufen. Die 400.000 Mark, die die Studie allein in Bremen kostet, sind aus Bundesmitteln so gut wie abgesichert. Ab August kann Frauke Claussen sich dann in die Hauptarbeit stürzen. Birgitt Rambalski

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