Ochsen-Stampede in Oberbayern!

■ Trotz harten Trainings und unerbittlichen Antreibens erpeitschte sich das furchtlose taz-Team beim 8. Karlsfelder Ochsenrennen nur den letzten Platz — Caesar versagte auf der Zielgerade

Karlsfeld (taz) — „Habt's ihr den Bericht g'schriebn?“ Der aufgebrachte Feuerwehrkommandant von Langenpettenbach, der Hochburg des bayerischen Ochsenreitsports, hält uns den Zeitungsartikel eines Lokalblatts vor und unter die Nase, in dem wir Schreiberlinge jüngst allzu flapsig über die weißblauen Meisterschaften dieser exotischen Sportart berichtet haben. „Setzt's Euch doch erst mal selber drauf“, herrschte uns der Ochsenprofi an. Gesagt, getan.

Das Training. Im 200er Diesel übers Land nach Zeilern, einem Weiler, eine halbe Stunde östlich von München. Der Aichner Sepp, der Boß eines Ochsengestüts, sitzt auf seinem altersschwachen Traktor und kratzt sich am Haarkranz. „Seid's ihr des?“ mustert er die Stadterer, die sich zum Training angekündigt haben. „Wollt's ihr mit dem G'wand auf d'Hochzeit?“ fragt der Krachlederne die beiden jungen Männer in Freizeitkleidung. Die Ochsen im Stall machen einen gelangweilten Eindruck: „Schon wieder zwei so depperte Zweibeiner, die erst groß daherreden und dann in die Hose machen, wenn's ernst wird.“

Die Ochsen sollten recht behalten. Der Aichner Sepp führte unseren Caesar zur Koppel. „Und was sollen wir jetzt machen?“ fragen Jockey und Treiber im Chor angesichts des 16 Zentner schweren Urviechs. „Des woaß doch i ned“, raunzt der linkisch Grinsende, dessen sympathischer Bauch zwischen Hosentürl und spärlich behaarter Brust Biercontainer und Hähnchenfriedhof beherbergt. „Der Papi hat eine Fettwampe“, kichern Sepps sechs- und achtjährige Töchter, die auf Ziegenböcken vor uns hertraben. „Und was ist, wenn uns der Ochse durchbrennt?“ wollen wir wissen, während wir mit dem Taschentuch den Angstschweiß von der Stirn tupfen. „Mir doch wurscht“, gibt der Aichner-Bauer zur Antwort. So ist er, der Sepp.

Also rauf aufs Tier — und wieder runter. Zweimal wirft der Ochse den Jockey ab, und der Treiber hat seine liebe Müh' und Not, nicht auf die Hörner genommen zu werden. Nach einer Viertelstunde Training haben wir Nase und Hose voll. „Der Ochse hat mit uns Katz' und Maus gespielt“, kommentieren wir den vorzeitigen Abbruch, „damit blamieren wir uns bis auf die Knochen.“

Das Rennen. Es muß halt immer welche geben, die partout Spielverderber sein wollen. Da pilgern knapp 2.000 Schaulustige bei schönstem Badewetter an den Karlsfelder Baggersee, wo das Rennfieber ausgebrochen ist. Fesche Madln im Bikini lustwandeln händchenhaltend über den Rasen mit dem Hansi oder Manni oder wie der dauergewellte Jüngling auch immer heißen mag, der alle zehn Meter seinen Nackenspoiler stylt. Nur einer macht nicht mit: Mit Hut und Spazierstock bewaffnet, grantelt ein untersetzter Rentner von dannen. „Du laafst in d'falsche Richtung. Zu de Ochsn geht's andersrum.“ Die Zurechtweisungen der Passanten fruchten nicht: „I bin doch koa Ochs ned“, schnautzt der aufgebrachte Einzelgänger zurück, zieht an seiner dicken Zigarre und entschwindet grußlos. Wie pflegte schon der Lateiner zu sagen: Quod licet Jovi, non licet bovi — Was dem Jupiter erlaubt ist, steht dem Ochsen nicht zu.

In Karlsfeld bei München ist Ochsenrennen, bereits zum achten Mal. Zum Abschluß des Volksfestes wetzen sieben zentnerschwere Boliden die Hufe, um beim Schweinsgalopp über die 200 Meter lange Sprintstrecke die verlustig gegangene Männlichkeit zu kompensieren. Stämmige Jockeys, die werktags das Metzger- oder Mechanikerhandwerk ausüben, das Feld bestellen, im Stall nach dem Rechten sehen oder sonstwie ein Auskommem haben, bemühen sich nach Kräften, das Temperament ihres vierbeinigen Untersatzes zu zügeln. Oder selbiges mittels Stock- und Peitschenhieben zu entfachen. „Laß doch den Ochs' in Ruh', du g'wamperter Stier“, schallt es einem peitschenwedelnden, mißmutig dreinblickenden Treiber entgegen, dessen Leibesfülle zur Zerreißprobe für die Knöpfe an seinem Arbeitskittel wird.

Und wir? Schlagen uns wacker. Bis eingangs der Zielgeraden halten wir im Vorlauf den zweiten Platz. Wider Erwarten läuft Caesar geradeaus, lammfromm. Zu fromm, denn kurz vor dem Ziel bremst er ab wie eine Lokomotive bei der Einfahrt in den Bahnhof. Der Dampf ist raus. Unsere Verfolger ziehen stampfend vorbei.

Marlene Eidelsburger, die einzige Amazone, ist uneinholbar. Auf Falco gewinnt die 16jährige Landwirtschaftsschülerin nicht nur den Vorlauf, sondern auch das spätere Finale. Wir werden Letzte, ernten aber zahlreiches Schulterklopfen für unsere „Mutleistung“, wie der hiesige Bürgermeister unsere Ochsentour bezeichnet. Und was sagt der Aichner Sepp zu unserem Abschneiden? „Mir doch wurscht.“ Jockey Sepp Fischer und Treiber Horst Roland Müller