: Solidarität der Schwachen
■ Das westdeutsche Arbeitsbeschaffungsprogramm wird zusammengestrichen
Solidarität der Schwachen Das westdeutsche Arbeitsbeschaffungsprogramm wird zusammengestrichen
Wer traut sich da noch, den Mund aufzumachen, wo wir doch alle Opfer bringen müssen? Wer mag sich über den Verlust von zehn bis 15.000 ABM-Stellen empören, wenn in den neuen Bundesländern reihenweise ganze Großbetriebe zusammenbrechen und allein Sachsen schon 7.000 Lehrer entläßt?
Sicher, angesichts einer boomenden Wirtschaft und sinkender Arbeitslosigkeit im Westen sind Einsparungen bei den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen dort kein soziales Desaster. Das Desaster ist der politische (Un-)Geist, der hinter den jetzt beschlossenen Sparplänen der Regierungskoalition steckt und der sich wie ein roter Faden durch den Einigungsprozeß zieht. Der Skandal ist nicht, daß im Westen gespart, gekürzt, „geopfert“ werden muß, sondern wo. Eine Regierungskoalition, die monatelang über Subventionsabbau streitet und dann ausgerechnet mit drastischen Kürzungen im Arbeitslosenetat stolz Vollzug meldet, spart zwar Geld. Doch in erster Linie richtet sie psychologischen und sozialen Flurschaden an, denn sie sendet Signale — Signale der Geringschätzung von sozialen Gruppen. Solidarität der Schwachen mag ein hehres Prinzip sein. Wenn sie aber als einziges Rezept verordnet wird, dann wirkt sie wie Gift in einem sozialen Klima, das ohnehin schon mit gegenseitigen Vorurteilen und Konkurrenzängsten zwischen Ost und West belastet ist.
Zu finanziellen Opfern für den Einigungsprozeß ist das Wohlstandsland Bundesrepublik sicher verpflichtet. Nur warum sollen ausgerechnet die sozial Schwächsten im Westen ihren Obulus für die noch Schwächeren im Osten entrichten? Warum bleibt die boomende Wirtschaft ungeschoren? Warum werden die Autoindustrie und ihre Kunden nicht stärker finanziell in Pflicht genommen für ihren ökologischen Unsinn? Und wo bitte bleibt das vielbeschworene Solidaritätsopfer des Einzelhandels mit seinen Rekordumsätzen aus dem Ostgeschäft? Vielleicht wissen die Bonner Regierungspolitiker ja eine plausible Antwort auf diese Fragen. Doch selbst wenn sie sie wissen, dann scheinen sie es zumindest nicht nötig zu haben, sie auch zu verkünden. Und auch das wird als Botschaft sehr wohl verstanden. Vera Gaserow
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