: Kartonschnipsel zu Sitzmöbeln
■ In Kenia fing alles an: Recyclingverfahren für Getränkekartons
Frau auf alten Milchtüten.
Der Inhalt des Päckchens entpuppt sich als ein stabiles, schrill- buntes Brett, etwas größer als Din-A4 und aus lauter kleinen Schnipseln zusammengesetzt. „Liebe Umweltfreundin, lieber Umweltfreund: Endlich können sie Ihr Klemmbrett in Händen halten!“
Was die lieben UmweltfreundInnen in den Händen halten, sind die Reste von Saft- und Milchkartons. Die Firma Tetra-Pak präsentiert nämlich stolz das avantgardistisch anmutende Vorzeigemodell ihres neuen Recyclingverfahrens. Das Verfahren ist denkbar einfach: Die aus Pappe, Polyethylen und teilweise Aluminium bestehenden Kartons werden gehäckselt, zu 5 Millimeter kleinen Chips gemahlen und zwischen zwei Metallplatten unter großer Hitze gepreßt.
Das Polyethylen, zu den harmlosesten Kunststoffen gehörend, dient dabei als Bindestoff. Die Platten, deren Eigenschaften Preß-Spanplatten ähnlich sein sollen, sind vielfältig einsetzbar: als Möbel für junge Leute, im Laden-und Messebau oder in Papierfabriken.
Hintergrund ist die Verpackungsverordnung, die die Firmen zur Materialverwertung verpflichtet. Doch ganz so neu ist das Verfahren bei Tetra-Pak nicht. Bereits vor etwa 8 Jahren begann die Firma mit der Wiederverwertung ihrer Produktionsabfälle. An ungewöhnlichem Ort: in Kenia. Dort war es verboten, brennbare Abfälle von den Fabrikhöfen zu schaffen. Aufgrund des Brennstoffmangels wurden diese Transporter immer wieder überfallen.
Recycling als Waffe gegen Überfälle auf Brennstofftransporter
So machte die kenianische Niederlassung aus der Not eine Tugend: Sie presste das Abfallmaterial zu Bauplatten, Fußboden-und Wandverkleidungen. Nach einer Weile begann man auch in Deutschland, die Rückstände aus der Produktion zu Innenteilen von Papierrollen oder Palettenklötzen zu verarbeiten, die dann innerhalb des Betriebes eingesetzt wurden. Neu ist nun die Aufarbeitung gebrauchter und schmutziger Kartons.
„Natürlich gibt das aufgrund der Produktreste mehr Schwierigkeiten“, erzählt Manfred Geissler-Hansson, Sprecher von Tetra-Pak. Bei einem Testdurchlauf wurden gebrauchte Packungen direkt beim Verbraucher eingesammelt; dort habe es nur wenige Reste gegeben, die beim Erhitzen verdampften. Schwieriger wird es bei einer großflächigen Sammlung, da eine separate Rücknahme nicht zu organisieren sei: Wenn die Kartons eine Woche beim Altpapierhändler lagern, werden sie matschig.
„Für eine Geruchsbelästigung am Endprodukt reicht das allemal“, meint dazu Heribert Wefers vom Bremer Institut für Umweltchemie. Und wenn die Kartons ausgewaschen werden müßten, gehe der angestrebte Vorteil gegenüber Mehrwegflaschen wieder verloren.
Aus Sicht des Ökologen sei außerdem ganz klar: an erster Stelle steht Abfallvermeidung, an zweiter Verwertung. „Und Flaschen- Mehrwegsysteme, das ist Vermeidung.“ Der Versuch, das Verfahren als umweltfreundlich darzustellen, könne nicht 100prozentig überzeugen, so Wefers. Außerdem gefällt ihm der Begriff „Recycling“ in diesem Zusammenhang nicht: „Das recycelte Produkt ist ein zweites Mal nicht verwertbar“.
Damit entspreche es aber den Anforderungen des „Dualen Systems“, das lediglich eine „stoffliche Wiederverwertung“ fordert. Immerhin sei das Verfahren „ein gewisser Fortschritt“. Und für die Firma Tetra-Pak, bei einem Branchenumsatz von 1 Milliarde Mark und einer jährlichen Getränkekarton-Produktion von 160.000 Tonnen, eine Möglichkeit, sich durch Verbesserung ihres Umweltimages den Löwenanteil zu sichern. Susanne Kaiser
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