Es lebe die koreanisch- koreanische Freundschaft

Nord- und Südkorea werden in die UNO aufgenommen — zusammen mit den baltischen Republiken, Mikronesien und den Marshall-Inseln  ■ Aus Seoul Peter Lessmann

Als Japan in der vergangenen Woche ankündigte, es erwäge, das kommunistische Nordkorea nach dessen Eintritt in die UN anzuerkennen, hatte das im kapitalistischen Südkorea wieder mal Anlaß für Unverständnis gegeben. „Ein solcher Schritt wird hier nicht als willkommene Geste aufgefaßt“, gab Seouls Präsidentschaftsberater Kim Hak Hoon diplomatisch die Verärgerung Südkoreas wieder.

Schon die ersten Gespräche über eine „Annäherung“ zwischen Tokio und Pjöngjang im vergangenen Jahr waren in Südkorea mißtrauisch beäugt worden. Nicht ganz unbegründet befürchtet Seoul, Japan wolle ein vereinigtes Korea verhindern. Erst wenn der innerkoreanische Dialog wieder in Gang käme und Pjöngjang das Sicherheitsabkommen zum Atomwaffensperrvertrag unterschreibe, wolle Südkorea der japanisch-nordkoreanischen Normalisierung nicht mehr im Wege stehen.

Doch mit dem Eintritt der beiden Koreas in die Vereinten Nationen, der gestern abend von der Vollversammlung in New York offiziell abgesegnet werden sollte, stellt sich die Frage der Anerkennung des 160. und 161. Mitgliedes der Weltgemeinschaft wieder neu. Denn bislang haben die südkoreanischen Verbündeten Japan und USA dem Regime in Nordkorea eine solche verweigert, während China keine offiziellen Beziehungen zum Süden unterhält.

Daß es überhaupt zum „historischen“ 17. September 1991 kommen konnte, haben die beiden Koreas vor allem einer Tatsache zu verdanken. Obwohl sich die seit 1945 geteilten Bruderstaaten nach wie vor spinnefeind sind, haben die demokratische Erneuerung in Osteuropa und der Zusammenbruch der Sowjetunion auch die geopolitische Sicherheits- und Bündnisstruktur in Fernost ins Wanken gebracht. „Das Ende des Kalten Krieges“, glaubt der Politologe Han Sung Joo, „hat letztendlich den UN-Beitritt möglich gemacht.“

Lange galten auf der koreanischen Halbinsel klare Interessensphären: kommunistisch im Norden, kapitalistisch im Süden. Diplomatisches Grundprinzip im Ost-West-Raster war hier die sogenannte „Überkreuz- Anerkennung“: Wenn die Sowjetunion Südkorea, so die Logik, dann müßten die USA gleichzeitig Nordkorea anerkennen. Doch als Moskau 1990 Seoul diplomatisch anerkannte, wurde dieses Prinzip durchbrochen — denn eine Anerkennung Pjöngjangs durch die USA ist bis heute nicht erfolgt.

Inzwischen hat auch China, der letzte enge Verbündete Pjöngjangs, ein wachsendes Interesse, seine Beziehungen zum Süden zu normalisieren, allein schon aus wirtschaftlichen Gründen. „Ein solcher Schritt wird jedoch nicht getan, bevor Japan und Nordkorea diplomatische Beziehungen aufnehmen“, sagt Professor Han. Danach freilich hätten Peking und Seoul freie Hand. Daß China überhaupt den UN-Beitritt Südkoreas befürwortete, meint er, hängt auch damit zusammen, daß es das Taiwan-Problem von der Korea- Frage getrennt sehen will. Eine Anerkennung Seouls bedeute in den Augen Pekings nicht mehr, wie es früher noch befürchtet hatte, ein stillschweigendes Einverständnis über einen zweiten chinesischen Staat.

Sowohl Nord- wie Südkorea sehen den getrennten UN-Eintritt, gegen den sich Pjöngjang bis Mitte dieses Jahres noch heftig gesträubt hatte, als ein vorübergehendes Stadium auf dem Weg zur Wiedervereinigung. Für den kommunistischen und isolierten Norden bedeutet er gar noch mehr: Nordkorea würde mit der Aufnahme seine Existenz zum „fait accompli“ machen und wieder Vertrauen gewinnen.

Doch der Druck auf Pjöngjang, da sind sich die politischen Experten in Seoul sicher, wird sich jetzt erst recht erhöhen. Dies gilt vor allem in der strittigen Atomfrage. Erst am Wochenende hatte ein geflüchteter nordkoreanischer Diplomat in Seoul über die Bemühungen Pjöngjangs geplaudert, eigene Kernwaffen zu bauen. Nordkoreas Haltung in dieser Frage gleicht einem Eiertanz: mal signalisiert es Bereitschaft, eine Inspektion seiner angeblichen atomaren Waffenschmieden zuzulassen; dann werden wieder Vorbedingungen gestellt: erst müssen die USA ihre Atomwaffen aus Südkorea abziehen. Aber Washington will seine Kernwaffen im Süden, deren Existenz es offiziell weder bestätigt noch dementiert, nicht in einem Deal mit Nordkorea zur Disposition stellen.

Die unnachgiebige Position Pjöngjangs hat auch die Japaner verärgert. Erst wenn Nordkorea einlenkt, so scheint es, kann es sich Hoffnungen auf Annäherung und dringend benötigte Wirtschaftshilfe aus Nippon machen. „Die Anerkennung Nordkoreas durch Tokio“, sagt Lee Dong Bok, Berater des Seouler Premierministers, „müssen wir als einen Preis ansehen, den wir dafür zahlen, daß Pjöngjang nicht mehr die Existenz zweier souveräner Staaten in Korea leugnet.“