: Der Rote Riese soll bleiben, wo er ist
■ Teilnehmer der Podiumsdiskussion im Martin-Gropius-Bau sind für Erhalt des Lenin-Denkmals in Friedrichshain wegen der geschichtlichen Funktion/ Lenin als »Herrschaftsdenkmal« und »Metapher«
Mitte. Gegen den Zeitgeist stemmten sich Dienstag abend die Teilnehmer einer Veranstaltung im Martin- Gropius-Bau zum Thema Lenin- Denkmal: Der »rote Riese« von Friedrichshain soll bleiben. Nicht aus ästhetischen oder künstlerischen Gesichtspunkten, sondern wegen seiner »geschichtlichen Funktion«. Christine Hoh-Slodczyk von der Berliner Denkmalpflege hob hervor, daß gerade solche Monumente »wichtige Quellen für Soziologen und Historiker« darstellten. Für den ostdeutschen Architekturhistoriker Bruno Flierl ist das 1970 enthüllte und vom sowjetischen Bildhauer Nikolai W. Tomski geschaffene Denkmal geradezu »eine Metapher für die Geschichte der DDR«. Es symbolisiere, »wie Revolutionen im Staat verkommen«.
Sollte Lenin stehen bleiben, müsse der weitläufige Platz trotzdem verändert werden. Heute diene das Denkmal an der stark befahrenen Kreuzung mehr als »Orientierung für Autofahrer«. Eckhart Gillen vom »Museumspädagogischen Dienst« veranschaulichte ironisch seine persönliche Beziehung zum russischen Berufsrevolutinär: Unter dem Gelächer des Publikums zeigte er zwei private Lenin-Büsten, eine »Sommer- und eine Winterversion«. Ihm gehe es in der aktuellen Debatte darum, ein Stück »Konfrontation in der Stadt« zu erhalten.
Einen Mangel an Geschichtsverständnis machte auch Martin Damus von der Universität Osnabrück aus. So wie 1961 die DDR das damalige Stalin-Denkmal »behutsam weggenommen« habe, solle auch jetzt wieder verfahren werden. In Deutschland würden Denkmäler nie durch das Volk, sondern »immer durch den Beschluß von Gremien« gestürzt. Lenin müsse als »Herrschaftsdenkmal« bestehen bleiben, um in der »Öffentlichkeit sinnlich erfahrbar zu sein«.
Aus dem Publikum wandte sich als einziger an diesem Abend der Berliner Kunsthistorker Dieter- Hoffmann Axthelm gegen das Denkmal. Er warf dem Podium vor, nur »affirmativ« zu sein und eine Diskussion zu meiden. Das entscheidende Kriterium müsse lauten, ob es sich um Kunst handele oder nicht: »Wenn Lenin durch die Bezirksverordnetenversammlung abgesetzt wird, paßt das, da er bürokratisch eingesetzt wurde.« Gegen solche Schwarzeißmalerei wandte sich Hardt-Waltherr Hämer von der »Behutsamen Stadterneuerung«: »Ich halte Unsicherheit in diesem Moment für eine Qualität.« Severin Weiland
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