: Computer stoned
Berlin (taz) — Die Kunden staunten nicht schlecht, als sie die Diskette mit dem elektronischen Bulletin des Europäischen Patentamts in den Computer schoben — plötzlich war der Rechner stoned, und auf dem Bildschirm blinkte nur noch eines: Legalise Marihuana.
Im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit versendet das Europäische Patentamt in München ein wöchentliches Bulletin, in dem neue Patente und Verbesserungen aufgelistet sind. Einmal im Jahr werden diese auf einer CD-ROM-Diskette zusammengefaßt und an Patentagenturen und Industrieunternehmen versandt. Im April dieses Jahres ging das elektronische Bulletin an über 1.000 Bezieher ab, und schon bald liefen die Telefone in München heiß. Am anderen Ende der Leitung waren Empfänger aus aller Welt, die die Kontrolle über ihre Computer verloren hatten. In periodischen Abständen stürzten die Daten auf dem Bildschirm ab, und die Botschaft „Legalise Marihuana“ leuchtete auf. Ein als „Stoned“ bekannter Virus hatte sich in ihr System eingeschlichen — über die Diskette des Europäischen Patentamts. Die Behörde richtete sofort einen telefonischen Notdienst ein, warnte weltweit alle Empfänger vor der Benutzung und half denen, für die das zu spät kam, aus dem Datenschlamassel heraus. Fast 60.000 Mark kostete diese Aktion, dank der aber nach Angaben der Behörde keiner der betroffenen Kunden irgendeinen Verlust von Daten zu beklagen habe. In den vergangenen Monaten haben sich die Münchner Patentwächter auf die Suche nach der Quelle des Virus gemacht und glaubt sie mittlerweile bei einer unabhängigen Software-Firma gefunden zu haben, die an der Erstellung des Computerbulletins beteiligt war. Die Firma allerdings behauptet, damit nichts zu tun zu haben.
Bei ihrem Studium des Virus fand die Patentbehörde heraus, das „Stoned“ nur dann einen Computer infiziert, wenn das Gerät bei eingelegter Diskette eingeschaltet wird. Ist der Virus einmal auf der Festplatte, spielt er im regelmäßigen Abstand seine Botschaft ein.
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