piwik no script img

Exaktes timing

■ Eine Zyklus-Uhr für die Geschlechter-Planung

2.000 Rupien sind für InderInnen sehr viel Geld. Dennoch kratzen auch arme Familien immer häufiger diese Summe zusammen. So viel kostet nämlich eine „SD“ — Sex Determination. Durch Amniozentese (Fruchtwasseruntersuchung) bei der Schwangeren wird das Geschlecht des Fötus bestimmt. Ist er weiblich, folgt häufig die Abtreibung. Das kommt immer noch sehr viel billiger als eine Tochter großzuziehen, um sie später samt einer Mitgift von mehreren zehntausend Rupien einem Ehemann zu überlassen.

Auch bei uns würden viele das Geschlecht ihres Nachwuchses gern vorher bestimmen. Es muß ja nicht gleich Amniozentese, mit anschließender Abtreibung bei negativem Befund sein oder gar Mord am falschen Neugeborenen. Die Schweizer Firma Hegener & Glaser hat jetzt eine Erfindung auf den Markt gebracht, die „SD“ zu einer kinderleichten, unblutigen und völlig legalen Methode macht: eine Zyklus-Uhr.

„Swiss Lady Watch“ heißt sie und sieht auf den ersten Blick wie eine bunte Billiguhr aus. Sie kann am Handgelenk oder um den Hals getragen werden oder den Nachttisch drapieren. Ihr Clou: ein vierter Zeiger, der die Trägerin durch ihren Monatszyklus begleitet und die fruchtbaren und unfruchtbaren Tage markiert. Im Rhythmus des Zeigers kann nicht nur die Familie, sondern auch das Geschlecht geplant werden — versprechen zumindest die Hersteller.

Denn die Wissenschaft hat festgestellt, daß die geschlechtsspezifischen Spermien nicht nur verschieden schnell die Eileiter hochklettern, sondern auch unterschiedlich lange befruchtungsfähig sind. Zum Zeitpunkt des Eisprungs steht der Zeiger im hellblauen Feld. Jetzt heißt es schnell kopulieren, wenn's ein Bub werden soll. Mit großer Wahrscheinlichkeit machen die Samen mit dem Y-Chromosom das Rennen, weil sie leichter und daher schneller sind. Wird stattdessen 48 Stunden vor dem Eisprung (rosa Feld) verkehrt, wird's eher ein Mädchen. Denn die Samen mit den X-Chromosomen sind zwar langsamer aber langlebiger. Mehr als 3.000 Paare erprobten diese Theorie. Erfolgsquote: 80 Prozent produzierten ihren Wunschsohn, 90 Prozent ihre Wunschtochter. Es kommt eben aufs „exakte Timing“ an. Allerdings: Das ganze funktioniert nur, wenn die Frau einen regelmäßigen Zyklus (zwischen 28 und 31 Tagen) hat; nur so kann der Tag des Eisprungs einigermaßen sicher berechnet werden. Außerdem gibt es natürlich zahlreiche imponderable Faktoren, die alle Kalkulationen über fruchtbare und unfruchtbare (grünes Feld) Tage zunichte machen. Zahlreiche Knaus-Ogino- Kinder erbrachten den Beleg.

Haut's mit dem Wunschkind nicht hin, tauschen Hegener & Glaser zwar die Uhr, nicht aber das ungewünschte Produkt um. Bleibt der Trost, daß das Quarzwerk der Uhr wenigstens sekundengenau arbeitet. Und das alles für 98 D-Mark. Ulrike Helwerth

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen