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Gegenseitige Beschuldigungen

■ In Kroatien wird weiter geschossen, doch verlieren die Kämpfe an Intensität

Zagreb (dpa/ap) — Auch 24 Stunden nach Inkrafttreten des von dem EG-Vermittler Lord Carrington vereinbarten Waffenstillstandsabkommens wurde in Kroatien weiter geschossen. Allerdings sollen die Kämpfe an Intensität verloren haben, heftige Gefechte wurden lediglich aus Slawonien und Sibenik gemeldet.

Erneuter Luftalarm wurde in den Küstenstädten Split, Solin und Togir sowie in dem 150 Kilometer westlich von Belgrad gelegenen Slavonski Brod ausgelöst. Das kroatische Fernsehen berichtete, daß Bundestruppen ihr Waffen- und Munitionsdepot in Ogulin 100 Kilometer südwestlich von Zagreb mit Raketen zur Explosion gebracht hätten, um eine Eroberung durch Kroaten zu verhindern.

Wer für das Andauern der Kämpfe verantwortlich ist, darüber gab es — wie kaum anders zu erwarten — unterschiedliche Ansichten. Während die kroatische Regierung die jugoslawische Bundesarmee an den Pranger stellte, warf Verteidigungsminister Kadejecic Zagreb vor, den Waffenstillstand nicht einzuhalten. Auf beiden Seiten der Barrikaden wird inzwischen jedoch auch heftig über personelle Veränderungen diskutiert. Zagreber Zeitungen verweisen immer öfter auf die Hilflosigkeit ihrer Führung, erstes Opfer der Kritik wurde Verteidigungsminister Bebic. Stein des Anstoßes: Bebic hatte nach dem Abschluß des Waffenstillstandsabkommens ohne Absprache mit Tudjman die Nationalgarde von den bis dahin von ihr blockierten Kasernen zurückgezogen. Nachfolger des Verteidigungsministers wird dessen bisheriger Stellvertreter, der 55jährige Exilkroate Gojko Susak, innerhalb weniger Wochen bereits der vierte Mann auf diesem Posten.

Zum Rücktritt aufgefordert wurde jedoch auch Bundesverteidigungsminister Kadijevic. Der jugoslawische Ministerpräsident Ante Markovic gab ihm und seinem Stellvertreter Stane Brovet eine Frist von 48 Stunden für die Abgabe ihres Rücktrittsgesuches. Anderenfalls, so drohte der kaum noch über Einfluß verfügende Regierungschef, werde er die beiden entlassen, sie seien für die Fortsetzung der Kämpfe verantwortlich.

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