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Harter Winter für Junkies

■ Parteienvertreter diskutierten Drogenpolitik für obdachlose Abhängige

Nichts geht mehr in der Drogenhilfe. Im Viertel platzen die verschiedenen Anlaufstellen aus allen Nähten, die eigentlichen Hilfsangebote verkümmern unter der Last des Alltags. „Wir können uns nur noch um die existentiellen Bedürfnisse der Abhänigen kümmern“, resümierte Birgit Stiem vom Verein Akzeptierende Drogenarbeit (AK) am Donnerstag abend auf einer Diskussionsveranstaltung.

Zum Thema stand „Sozialverträgliches Umgehen mit dem Drogenkonsum in Bremen“. Dazu hatte der AK Vertreter der vier Bürgerschaftsparteien und einer Wählerinitiative eingeladen. 60 ZuhörerInnen waren gekommen, ein Fachpublikum aus Drogenarbeitern und Betroffenen. Doch bis zum Thema kam die Diskussion nicht. Die zentrale Frage des Abends: Was passiert mit den obdachlosen Abhängigen im nächsten Winter?

„Wir werden in den kommenden Monaten deutlich weniger Asylbewerber haben, da können wir die Abhängigen in verschiedenen Hotels unterbringen“, schlug die SPD-Abgeordnete Elke Steinhöfel vor. Sie schätzte die Zahl der obdachlosen Abhängigen auf 40 bis 50. Bunker oder Container, das wäre in diesem Jahr nicht nötig, erklärte die Abgeordnete.

Der FDP-Vertreter Friedrich van Nispen griff einen Vorschlag aus dem Publikum auf: Er könne sich vorstellen, eine begrenzte Anzahl von Drogenabhänigen im Hemelinger Hafen auf dem Wohnschiff unterzubringen. „Wenn das Schiff tatsächlich keine Asylbewerber mehr beherbergen sollte, kann ich mir ein Übernachtungsangebot dort gut vorstellen.“

Für Roswitha Erlenwein (CDU) war dieser Vorschlag nicht zu akzeptieren. Ihr Gegenvorschlag: „Provisorische“ Unterkünfte für den kommenden Winter, dann mit der Polizei die Dealer verängstigen und die Abhängigen therapieren.

Die grüne Bürgerschaftskandidatin Karoline Linnert schlug die Gründung Kommunaler Wohnungsverwaltungen vor. Die müßten Wohnungen anmieten und an die Abhängigen weitergeben. „Je nach Bedürfnislage“ müßten die Abhängigen dann betreut werden.

Die Zahl der obdachlosen Abhängigen liegt nach Schätzungen der Drogenarbeiter mit 200 etwa beim vierfachen dessen, was die Sozialbehörde derzeit einschätzt. Manch einer hat die Hoffnung schon verloren: „Ich kann das Geeiere nicht mehr mit anhören“, erklärte AK-Mitarbeiter Helmut Oppermann, der die Unterbringungsdiskussion jetzt schon seit mehreren Jahren verfolgt. „Alles leere Versprechungen, und wenn der erste Frost kommt, werden doch wieder die Bunker geöffnet.“ mad

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