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■ Hansa, die Hoffnung! * Der 16.Platz, Do., 19.09., 20.15 Uhr, ARD

Wie wichtig ist denn Hansa Rostock für diese Region?“, fragte Herr Böhmer, der Filmautor, und war an der spannendsten Stelle seines Films angekommen. „Der Verein gibt den Menschen Hoffnung und Glück“, glaubte Frau Schröder (Fan, Ost). „Hier gibt es doch größere Probleme als die Niederlage in einem Fußballspiel“, bedachte Herr Entenmann (Trainer, West).

Der Film des NDR begann mit der Vorbereitung des FC Hansa Rostock auf seine erste Bundesliga-Saison: Der Umbau des Ostsee-Stadions, die Verbesserung des Managements, der Abschluß der Spielerverträge — alles hatte nur ein Ziel: das westliche Niveau! Herr Reinders ist als Trainer Spitze, er kommt aus dem Westen. Der neue Mannschaftsbus ist Superklasse, er kommt aus dem Westen. „Aber sie sind noch ganz schön vom alten System geprägt“, mußte sich Herr Dowe vorwerfen lassen. Der Mittelfeldspieler kommt eben aus dem Osten.

Die eigentlich angenehme Zurückhaltung des Autors im Film mutierte allmählich zu flapsiger Kumpelhaftigkeit des Fragestellers. Solange die Rostocker die Bundesliga- Tabelle anführten, spielten sie wie „Deutsche“, als sie beim F.C. Barcelona im Europacup-Hinspiel ängstlich 0:3 verloren, war der „DDR-Fußball“ Schuld. Wenn die Hansa-Kicker wirklich die Hoffnungsträger Mecklenburg-Vorpommerns wären, warum kommen heute nur 10.000 Fans zum Bundesliga- Match gegen Karlsruhe, wo früher 25.000 Zuschauer selbst die Betriebssportgemeinschaft Chemie Böhlen sehen wollten?

Der einzig akzeptierte „Ossie“ ist Herr Kische, der Hansa-Präsident, der in seiner Jugend 63 Länderspiele für die DDR bestritt und heute zum Samariter des Vereins hochgespielt wird. „Der neue Hauptsponsor kommt aus dem Osten“, erzählt der Film stolz und schwindelt. Denn der Baukonzern ist zwar ein Zusammenschluß ostdeutscher, pleitegegangener Baubetriebe, dessen Zentrale sich aber in den USA befindet. Die meisten Beschäftigten dieser Firma sind auf Null-Kurzarbeit gesetzt, weshalb Hansa Rostock eben die Bevölkerung nicht nur erfreute, sondern auch sehr ärgerte.

Aber Herr Kische kassierte vom hofierten Baugiganten nebenbei vorzügliche Aufträge für seine eigene Zementfirma. Das verschwieg der „16.Platz“ genauso wie die Querelen zwischen Trainer und Präsident im Stile schlechtesten westlichen Vereinsklüngels. „Keiner soll es wagen, den FC Hansa zu schlagen“, tönte es im Vereinslied, das Herr Alms, der linke Verteidiger komponiert hat. Inzwischen wagten es aber einige und der Rostocker Liganeuling taumelt die Tabelle nach unten. Die Euphorie wich dem Alltag, und die Hoffnung der Menschen?

„Die haben doch alle gedacht, die Ossies sind 'n bißchen doof“, frohlockte Herr Weichert, ein hanseatischer Stürmer, „und wir wollten in der Bundelsiga einfach nur das Gegenteil beweisen.“ Der Film hat ihm dabei nicht geholfen. bossi

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