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Angst vor der „Mafia“

■ In den Unterkünften für AsylbewerberInnen von Hoyerswerda verschanzen sich die Belagerten

Immer wieder schleudert er den deutschen Nachbarn über die Straße ein langgezogenes „N-e-i-n“ entgegen. „Ich bin aus Kamerun, aus Afrika. Asylanten sind den Deutschen egal. Sie machen unsere Kinder kaputt, n-e-i-n. Deutsche raus!“ Albert-Schweitzer-Straße 17. Im Zimmer Nummer 9 wohnt eine siebenköpfige Familie aus Jugoslawien. Vor sieben Monaten ist sie aus dem Kosovo geflohen, sie gehört zur albanischen Minderheit. In Braunschweig sind sie angekommen, von dort wurden sie nach 14 Tagen nach Hoyerswerda gebracht. Seit sechs Monate leben sie in diesem kleinen Zimmer, das vielleicht drei mal drei Meter mißt. Ein Tisch, zwei Stühle, fünf Kinder teilen sich Nacht für Nacht zwei Betten. Mit der drangvollen räumlichen Enge könnten sie zurechtkommen, sagt das elfjährige Mädchen, das auf der Straße ein paar Brocken deutsch gelernt hat. „Aber Mafia nicht gut.“

Die Bürger von Hoyerswerda, die seit Dienstag vor dem Wohnheim randalieren, sind für sie die „Mafia“. Seitdem die allabendlich vor dem Haus aufzieht, hat das Mädchen „schreckliche Angst“. Am Freitag abend steht die „Mafia“ wieder vor dem Haus. Sie kam am frühen Abend und warf Steine gegen die Fenster. Dabei ging auch die Haustüre zu Bruch, und ihre „Flaschen mit Feuer“ prallten an der Wand ab.

Vor allem um den kleinsten Bruder sorgt sich das Mädchen. Seit zwei Tagen hat sie den Eindruck, er könne nicht schlafen. „Immer macht er große Augen und trinkt wenig.“ Manchmal beugt sie sich über ihn und horcht, ob er noch atmet. Sie will das Kind hochnehmen, als wolle sie unterstreichen, was sie gesagt hat. Doch schnell drängt der Vater sie ab. Das Kind darf nicht in den Bereich des Fensters kommen. Ständig hält ein Familienmitglied den Kleinen im Arm oder legt sich schützend neben ihn auf das Bett. Das Baby kam vor vier Wochen in Hoyerswerda zur Welt. Mit der jugoslawischen Familie leben noch etwa 240 andere Menschen aus 22 Ländern im Wohnheim. Wo sie kochen, wie sie in den Tagen der Belagerung versorgt werden, ob sie medizinisch betreut werden, darüber gibt Ernesto Millisse keine Auskunft. „Kein Kommentar der Presse gegenüber“, sagt der Mitarbeiter des Landratsamtes vom Hoyerswerda. Millisse ist Mosambikaner und betreut seit 1979 seine Landsleute, die als Gastarbeiter nach Hoyserwerda kamen. Er meint, die Presse habe nichts in den Heimen zu suchen. Ob er sich denn auch vom Rassenhaß betroffen fühle? „Ihre Berichterstattung wiegelt die Leute auf.“ Das habe man ihm im Landratsamt gesagt und strenges Schweigen auferlegt. Annette Rogalla, Hoyerswerda

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