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„Invasion“ von Ausländern in Frankreich?

Wenn sich der Aristokrat und Ex-Präsident Giscard in Populismus versucht  ■ Von Alexander Smoltczyk

Paris (taz) — Es schlüpfte ihm nicht so heraus, nein: „Obwohl man in diesem sensiblen Gebiet vorsichtig mit den Wörtern umgehen muß, wegen ihres gefühlsmäßigen und historischen Gehalts, gerät das Problem, vor dem wir stehen, von einem Problem der Immigration zu einem der Invasion“, so schrieb es Frankreichs ehemaliger Staatspräsident Valéry Giscard d'Estaing in einem Beitrag für das 'Figaro-Magazine‘.

Die wohlerwogene Warnung vor einer „Ausländer-Invasion“ hat in Frankreich scharfe Proteste ausgelöst und wird als Hinweis interpretiert, inwieweit die Demagogie Jean-Marie Le Pens schon in den Sprachgebrauch der bürgerlichen Rechten „eingefallen“ ist.

In dem Text fordert Giscard, der übrigens in Koblenz geboren wurde, zugleich eine Volksabstimmung, um „zur traditionellen Form des Erwerbs französischer Nationalität zurückzukehren: des Rechts des Blutes“. Im Gegensatz zu Deutschland praktiziert Frankreich seit der französischen Revolution das „jus solis“ (Recht des Bodens), wonach französischer Bürger ist, wer in Frankreich geboren ist — ungeachtet seiner Hautfarbe und Herkunft. Das „Recht des Blutes“ würde nur Kinder von Franzosen als Jungfranzosen anerkennen. Alle anderen müßten sich in einer langen Prozedur um die Aufnahme in die Polis bewerben.

Bereits 1987 hatte die Regierung Chirac eine Expertenkommission damit beauftragt, über Sinn und Unsinn eines neuen Nationalitäts-Gesetzes zu beraten. Die Weisen hatten einstimmig eine Beibehaltung der bisherigen Regelung empfohlen: Ein „jus sanguinis“ würde die Integration in einem real existierenden Einwanderungsland erheblich erschweren.

Mit dem zu erwartenden Wegfall der Grenzen innerhalb der EG sieht Giscard die Grundlage für das „jus solis“ als nicht mehr gegeben. So könnten etwa Türkinnen aus Deutschland in französischen Kliniken entbinden, um ihren Kindern zu einer europäischen Nationalität zu verhelfen.

Der Präsident der französischen Menschenrechtsliga, Yves Jouffa, zeigte sich „entsetzt“ über Giscards Äußerungen: „Die französische Rechte ist angesichts der nächsten Wahlen dabei, den Kopf zu verlieren, wenn sie sich auf Le Pens Positionen einläßt.“

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