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Auch die Treuhand trainiert gegen Olympia

■ Olympia-Flächen an Private verkauft/ In Prenzlauer Berg sollte eines der olympischen Dörfer entstehen/ 72.000 m2 Gelände gingen jedoch an »Teppichland«, Fliesenmarkt und Holzhandlung Possling/ Senat hofft, Verkauf rückgängig machen zu können

Prenzlauer Berg. Was die politische Opposition nicht schafft, machen Treuhand und Senat möglich: Olympia könnte am Ende noch daran scheitern, weil die Treuhand Olympia-Flächen an Privat verkauft.

Geschehen ist dies mit der etwa 430.000m2 großen Gewerbefläche an der Eldenaer Straße 34-40 in Prenzlauer Berg. Dort soll eines der olympischen Dörfer mit Tausenden von Wohnungen entstehen, eine Planung, die schon 1990 beschlossen wurde und sich in diesem Frühjahr »verfestigte«, wie der Sprecher der Finanzverwaltung, Steffen Kammradt bestätigte.

Bis 1990 befand sich auf dem Gelände die Berliner Baustoffhandel GmbH, die der Treuhand unterstand. Ende 1990 verkaufte die Treuhand drei große Schlüsselgrundstücke an der Eldenaer Straße mit zusammen 72.000m2 an drei Betriebe: an das Teppichland Berlin, den Berliner Fliesenmarkt und die Holzhandlung Possling & Co, für übrigens nur schlappe 220 Mark pro Quadratmeter inklusive der denkmalgeschützten Fabrikgebäude.

Das Bezirksamt Prenzlauer Berg erfuhr davon erst, als sich mehrere Bauvoranfragen der neuen Eigentümer auf dem Schreibtisch von Baustadtrat Matthias Klipp (Bündnis 90/ Grüne) häuften. Klipp wies diese Anfragen zurück, denn die Grundstücke hatten vor der Enteignung durch die SED der Stadt Berlin gehört. Dies sah die Treuhand anders. Ein Restitutionsanspruch des Landes Berlin sei nicht eingereicht worden, hieß es von dort.

Die Finanzverwaltung meldete sich tatsächlich erst am 24. Mai 1991 bei der Treuhand und kündigte einen Restitutionsanspruch an, schlug jedoch gleichzeitig vor, die Angelegenheit über eine Entschädigungszahlung zu regeln.

Zu diesem Zeitpunkt waren die drei Grundstücke längst verkauft. »Schlamperei«, urteilt Baustadtrat Matthias Klipp vom Prenzlauer Berg. »Der Senat hat sein Eigentum fahrlässig aus Hand gegeben, und das noch zu einem viel zu billigen Preis.«

Den Vorwurf läßt die Finanzverwaltung nicht auf sich sitzen. »Wir hätten den Antrag nicht eher stellen können«, sagte Kammradt. Denn die Rechtsgrundlage für den Restitutionsanspruch sei das sogenannte Vermögenszuwachsgesetz, und das gebe es erst seit März 1990.

Das Angebot, sich mit einer Entschädigungszahlung zufrieden zu geben, habe man widerrufen. Verständlicherweise: Mit einer Entschädigung von maximal 230 Mark pro Quadratmeter wird das Land Berlin im Bedarfsfall wohl kaum ein vergleichbares Grundstück kaufen können.

Man sei mit der Treuhand in Verhandlungen und hoffe, den Kauf rückgängig machen zu können, sagte Kammradt weiter, natürlich im Einvernehmen mit den drei Käufern. Schließlich würden Restitutionsansprüche vor Neu-Eigentum gehen. »Das möchte ich mal sehen, daß die Firmen das Gelände zu diesem Preis zurückgeben«, meint Klipp hingegen eher ungläubig.

Die Treuhand ihrerseits fühlt sich unschuldig. Man habe erst nach dem Verkauf der Grundstücke vom Senat erfahren, daß diese Gelände Olympia-Flächen seien. Bei einem ähnlichen Fall — dem benachbarten Schlachthof an der Storkower Straße — gelang es dem Land Berlin, den Verkauf von Olympia-Gelände durch die Treuhand noch in letzter Sekunde zu verhindern. Da allerdings waren die Verträge noch nicht unterzeichnet, an der Eldenaer Straße sehr wohl. esch

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