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Schwarze Fahnen wehen über der Charité

■ Die Beschäftigten sind empört über den SPD-Vorschlag, die Charité mit dem Virchow-Krankenhaus zu fusionieren

Berlin. »Charité muß bleiben« steht auf einer langen schwarzen Fahne über dem Haupteingang zum Bettenhochhaus des Ostberliner Unversitätsklinikums Charité. Weitere Stoffbahnen in der Trauerfarbe hängen aus den Fenstern der oberen Stockwerke.

»Die Betroffenheit der Belegschaft ist über Empörung in tiefen Pessimismus umgeschlagen«, gibt Charité-Dekan Harald Mau die Stimmung der über 5.000 Beschäftigten wieder. Seit Monaten wird der Spitzenklinik der ehemaligen DDR von allen Seiten zugesetzt, zunächst wegen der Stasi-Mitarbeit von Ärzten, dann wegen vier Todesfällen nach Krankentransporten. Der jüngste Angriff kommt aus einer unvermuteten Ecke: von der SPD.

Der Landesgeschäftsführer der Sozialdemokraten, Rudolf Ross, hatte an seinen Landesgeschäftsführer geschrieben und die Fusion des West-Berliner Klinikums Rudolf Virchow mit der Charité vorgeschlagen. Von dem Ostberliner Krankenhaus soll demnach nicht mehr viel übrigbleiben: Reduzierung von derzeit 2.050 auf 600 Betten, die Verlagerung der Grundlagenmedizin und des ersten Teils der medizinischen Ausbildung (»Vorklinik«) zum Virchow-Klinikum; die Charité solle hingegen die Virchow-Psychiatrie erhalten.

Hintergrund ist die schwierige Finanzlage der Stadt, unter deren Eindruck der Senat kürzlich auf die Idee kam zu prüfen, ob Berlin nicht mit zwei statt drei Universitätskliniken auskommen könnte. Die Freie Universität Berlin verfügt neben dem Klinikum Virchow noch über das Klinikum Steglitz.

Nach den Worten des Abgeordneten Bernd Koeppl (Grüne/Bündnis 90) werde für das Virchow-Haus in diesem Jahr ein Defizit von 13 Millionen Mark erwartet; im Jahre 1993 sollen es schon 54 Millionen sein. »Die eigentlichen Probleme liegen beim Virchow-Klinikum«, sagte Koeppl. »Aus Not die Charité zu überfallen und sie auszuplündern, dürfte einmalig in der Wissenschaftsgeschichte sein.«

Die Vorschläge aus der SPD widersprächen dem Einigungsvertrag, der Berliner Koalitionsvereinbarung und einer Empfehlung des Wissenschaftsrates, betonte Mau. Alle hätten sich für den Fortbestand der Charité ausgesprochen, wenn auch reduziert um 400 Betten.

»Von halboffizieller Stelle wird das, was am kostenintensivsten ist, als beständig herausgestellt, während das, was am effektivsten und kostengünstigsten arbeitet, preisgegeben werden soll«, wundert sich Mau. Koeppl zitierte aus einem internen Brief der Berliner Finanzverwaltung an die Gesundheitsverwaltung, in dem ebenfalls die Fusion Virchow/Charité propagiert wird, während das Klinikum Steglitz unangetastet bleiben soll.

Das 1982 errichtete Charité- Hochhaus, wo 1.000 der 2.050 Betten untergebracht sind, wird in dem Schreiben schlicht »zur Disposition gestellt«. dpa

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