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Organspende

■ betr.: "Spendenorgane: Schnäppchen für die Chirurgie", taz vom 20.4.91

betr.: „Spendenorgane: Schnäppchen für die Chirurgie“,

taz vom 20.4.91

Weiß Gisela Wuttke eigentlich, wovon sie redet, wenn sie auf die Tansplantationsmedizin schimpft und skandalöse Einzelfälle als allgemeingültig darstellt?

Worum geht es denn in erster Linie bei der Organtransplantation? Geht es um ChirurgInnen, die ein „Schnäppchen“ schlagen wollen, oder geht es darum daß sich potentielle EmpfängerInnen von der Organspende ein schöneres, leichteres oder wie auch immer positives Leben versprechen?

Die EmpfängerInnen werden in dem Beitrag nur in dem als verwerflich dargestellten Fall erwähnt, wenn Sie sich für eine zweite Transplantation entscheiden, wodurch sich „der Bedarf an Organen nochmals erhöht“.

Meinem Vater wurde 1986 nach knapp zehn Jahren Dialyse zum zweiten Mal eine Niere transplantiert. Dieses mal wurde die Niere angenommen, nachdem sie beim erstenmal, nach sechs Monaten hin und her, wieder abgestoßen worden war.

[...] Es ist schlimm, daß ChirurgInnen in Ausnahmefällen falsch entscheiden. Ob dies aus Profilierungssucht geschieht (wie von Frau Wuttke dargestellt), müßte dabei noch diskutiert werden. Fest steht, daß Organspenden Menschen helfen und es ist niemandem damit geholfen, im Stil der „Yello Press“ Horrorvisionen zu zeichnen. Es muß an Schwachstellen angesetzt werden. Organe dürfen keine Handelsware werden, wie dies in manchen Ländern der Welt schon der Fall ist. Aber bei der ganzen Diskussion dürfen die EmpfängerInnen nicht vergessen werden. [...] Steffen Emrich, Rastede

Schon wird eine neue „Medizin-Sensation“ ('Hamburger Morgenpost‘ vom 12.9.91) verkündet: In Pittsburgh, USA, wurde „die kleine Sarah“ fünf Wochen vor ihrem Geburtstermin mit Kaiserschnitt auf die Welt geholt, um ihr sogleich ein Spendeherz einzupflanzen. Die 'FR‘ wiederum berichtet nur wenige Tage darauf (20.9.91), daß es den Chirurgen der Universitätsklinik München gelungen sei, einem soeben geborenen Baby ebenfalls ein Spendenherz einzupflanzen. Die Pressestelle der Klinik meldete „erst jetzt“ die erfolgreiche Transplantation zwischen Säuglingen, wohl weil man mit Mißerfolgen nicht gerne an die Öffentlichkeit geht. Das Leben des Neugeborenen sei gerettet worden, lautet die frohe Kunde.

Einige Fragen hierzu müssen dennoch erlaubt sein. Hätte die Öffentlichkeit von einer mißglückten Transplantation ebenfalls erfahren? Wird die Pressestelle vom Klinikum Großhadern sich erneut erklären, wenn das Leben des Babys schließlich doch nicht gerettet werden konnte? der „kurz zuvor verstorbene Säugling“, woran starb er (Hirntod)? War dieser Säugling vielleicht ein Anencephalus? Wie werden diese Kinder (über-)leben können, mit welchen Medikamenten, welchen künstlichen Lebensumständen, wievielen weiteren Spendeherzen im Laufe ihres Lebens?

Eine letzte Anmerkung zur Lebensrettung, mit der die Transplantationsmedizin sich Erfolge und Akzeptanz sichert: In der Großen Anfrage der Grünen im Bundestag zu den „Problemen der modernen Transplantationsmedizin“ geht unzweifelhaft hervor, daß von einer Lebensrettung im Sinne des Wortes tatsächlich nur in den wenigstens Fällen (geglückter) Transplantationen gesprochen werden kann, und zwar nur in den Fällen, wo jede andere konventionelle Therapie absolut versagt hat beziehungsweise deren Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Es läßt sich feststellen, daß „Lebensrettung“ in der Transplantationsmedizin vielfach nur von allerkürzester Dauer ist. Gaby Peter, Ganderkesee

Mit Beklemmung und zunehmend stärker werdendem Ärger habe ich den Artikel von Gisela Wuttke zum Thema Organtransplantation und Hirntod gelesen.

Als Leiter einer operativ-traumatologischen Intensivstation mit einem hohen Anteil an Patienten mit Schädel-Hirn-Verletzungen sehe ich mich — leider — auch oft mit dem Problem des dissoziierten Hirntodes, der Organspende und den damit zusammenhängenden Problemen konfrontiert. Auch kenne ich eine Reihe der Kollegen aus der Medizinischen Hochschule, die Sie implizit, durch Nennung des Namens der Klinik und den stimmungsmäßigen Kontext des Artikels angreifen, persönlich.

Daher weiß ich aus eigenem Beteiligtsein, mit welch hohem Maß an Sorgfalt bei der Hirntodfeststellung vorgegangen wird, die nach verbindlich festgelegten Kriterien und Methoden erfolgt, die von einer Expertenkommission der Bundesärztekammer erarbeitet worden sind.

Der Aufsatz ist ein gutes Dokument für die Mißverständnisse und Vorurteile, die in der Bevölkerung und offensichtlich auch bei der Autorin mit diesem schwierigen Thema des „dissoziierten Hirntodes“, der ja in krassem Widerspruch zur Sterbevorstellung, die wir haben, steht, verbunden sind. [...] Friedrich Dörr, Großburgwedel

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