: Von Abstaubern und Fliegenfängern
■ Frank Neubarth und Stefan Kohn schossen Werder mit jeweils zwei Toren ins Viertelfinale des DFB-Pokals Torwart Oliver Reck, der Zuschauerschreck, konnte Bremens 4:1-Sieg über Dynamo Dresden nicht verhindern
Bremen (taz) — Es grenzt schon an ein Wunder. In der Bundesliga versinkt Werder Bremen langsam im Mittelmaß. Doch im Pokal blühen die Bremer Kicker regelmäßig auf und spielen wie ausgewechselt. Düsseldorf und Hamburg schoß man bereits aus dem Cup-Wettbewerb, gestern war Dynamo Dresden dran. Vier Stürmer ließ Trainer Otto Rehhagel auflaufen. Die Hoffnung auf einen torreichen Abend keimte auf und wurde erfüllt. In einem flotten Spiel mit vielen Torraumszenen gewann der Pokalsieger im Weserstadion klar mit 4:1.
Das Endergebnis täuscht allerdings über den Spielverlauf hinweg. Dresden hielt lange Zeit gut mit und machte den Bremern das Leben schwer. So waren es auch die Gäste, die in der vierten Minute die erste Torchance hatten. Mirko Votava bediente in der eigenen Hälfte den Dresdener Uwe Rösler mit einem Rückpaß. Um seinen Fehler auszubügeln, brachte er Rösler kurz vor dem Strafraum zu Fall. Offenbar war Oliver Reck zu diesem Zeitpunkt noch in der Kabine. So konnte er auch nicht richtig sehen, wie Matthias Maucksch den Freistoß für Dynamo trat. Der Ball kullerte auf Reck zu und glitschte unter ihm durch. 50 Dynamo-Fans jubelten über das 0:1 und die restlichen 11.000 ZuschauerInnen schlugen die Hände über dem Kopf zusammen.
Werder ließ sich durch dieses Mißgeschick allerdings nicht schocken. Denn nun drückte man richtig auf die Tube. Manfred Bockenfeld und Torsten Legat stürmten nach vorne und bedienten ihre Stürmer. Ein paar Mal schossen Neubarth und Co. noch am Tor vorbei, aber in der 14. Minute war es soweit. Ecke Allofs, Kopfball Neubarth, Ball im Tor; so einfach ist das.
Und munter ging es weiter. Mal hatte Dresden hochkarätige Torchancen, mal die Bremer. Beide Mannschaften spielten viel über die Flügel und dann hoch in den Strafraum — frei nach dem Motto: Irgendjemand wird seinen Kopf schon hinhalten. Und wirklich. In der 36. Minute fand eine Flanke Stefan Kohns Kopf. Dynamo Torwart René Müller wollte seinem Gegenüber in nichts nachstehen und hielt den Ball einfach nicht fest. Frank Neubarth stand zum Abstauben genau vor ihm. 2:1 der Pausenstand. Die ZuschauerInnen waren begeistert.
Nur um das Sicherheitsrisiko Reck machte man sich Sorgen. In der zweiten Halbzeit flachte das Spiel etwas ab. Schuld daran war das hohe Tempo der ersten 45. Minuten. Dresden bäumte sich noch einmal auf, warf alles, was Füße hatte, nach vorne und war 20 Minuten lang die spielbestimmende Mannschaft. Rösler und Gütschow setzten Reck zum Schreck der Zuschauer gewaltig unter Druck. Der Ball entwickelte dabei eine seltsame Eigendynamik. Er hüpfte stets zwischen Recks Händen hindurch. Werder wankte, aber fiel nicht. Man ließ Dresden im Strafraum wurschteln und hoffte auf Konterchancen, die sich dann auch prompt boten. Es schlug die Stunde des Stefan Kohn.
Eine Stunde lang hatte der ehemalige Bochumer glücklos geackert, doch in der 86. Spielminute traf er den Kasten. Nach einer Flanke von Bockenfeld erzielte er im Tiefflug das 3:1. Der Lohn für einen Fleißigen und die Erlösung für Werder. Zwei Minuten spielte Marco Bode Torwart Müller schwindelig und Kohn schob das Leder ins leere Tor. Es folgte noch ein Pfostenschuß von Uwe Harttgen und der Schlußpfiff. „Meine Mannschaft hat gut gekämpf, aber klare Torchancen nicht nutzen können“, war das abschließende Urteil des Sachsen-Coaches Helmut Schulte. Auch Otto Rehhagel lobte seine Schützlinge, die „Kraft und Moral bewiesen“.
Wenn Werder im Pokal so weiter spielt, kann man bald zum vierten Mal hintereinander singen: Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin. Bettina Platz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen