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Waffenstillstand jugoslawischer Art

Die Bundesarmee greift in Ostslawonien weiter an/ Die jugoslawischen Militärs bestimmen die Politik/ Kroatien sieht sich Gebietsforderungen Serbiens gegenüber  ■ Aus Budapest Roland Hofwiler

Auch gestern wurde der Waffenstillstand auf jugoslawische Art eingehalten: Es gab schwere Artilleriegefechte um die ostslawonischen Städte Vukovar und Vinkovci. Von der Adriaküste, der Banija und aus Pakrac wurden Schießereien gemeldet. In Bosnien-Herzegowina steigt die Gefahr einer Konfrontation mit den einmarschierten Einheiten der Bundesarmee, die sich hauptsächlich aus serbischen und montenegrinischen Reservisten zusammensetzen. Auch auf politischer Ebene zeichnet sich keine Entspannung ab. Im Gegenteil: der Propagandakrieg aller Parteien nahm an Heftigkeit zu. Das kroatische Innenministerium beschuldigt die Bundesarmee, am vergangenen Wochenende bei der „Schlacht um Vukovar“ chemische Kampfmittel eingesetzt zu haben. Manches kroatische Massenblatt wartet mit der Schlagzeile auf: „Napalm gegen Kroatien“. Die zivilen EG-Beobachter machten sich nach Ostslawonien auf, um vor Ort zu recherchieren. Eine Verletzung der Genfer Kriegskonvention stellten sie jedoch bereits fest: Splitterbomben, die international geächtet sind, wurden von Panzern der jugoslawischen Volksarmee in größeren Mengen abgefeuert.

Wider besseren Wissens schrieben gestern serbische Zeitungen von einem „schmutzigen Propagandakrieg“ Zagrebs, um die eigenen „Greuel“ zu vertuschen. Vor allem halte der „faschistische Gegner“ ('Politika‘) noch immer über 600 serbische Soldaten in „unmenschlicher Gefangenschaft“, nicht einmal die Angehörigen wüßten, ob ihre Söhne noch am Leben seien oder in den Händen des „faschistischen Feindes“. Serbische Spitzenpolitiker ließen keine Zweifel daran, daß man Gebietsansprüche an Kroatien stelle. Sollte dies Zagreb nicht einsehen, brauche man erst gar nicht über einen Friedensplan verhandeln, meinte das serbische Mitglied des jugoslawischen Staatspräsidiums, Borisav Jovic. Er ist dafür, daß sich die Bundestruppen aus den Teilen Kroatiens zurückziehen sollen, wo sie nicht erwünscht sind, was in der Praxis heißt, daß sie überall dort bleiben werden, wo die serbischen Freischärler Territorien „befreit“ haben.

Ob es jedoch zu Friedensgesprächen kommen wird, die den derzeitigen „Waffenstillstand“ wirklich befestigen werden, steht in den Sternen. Keine Konfliktpartei nennt einen Termin. Bekannt wurde gestern lediglich, daß sich Kroatiens Präsident Franjo Tudjman mit General Veljko Kadijevic zu einem vertraulichen Gespräch traf. Kritische Blätter glauben aber, daß sich die Kontrahenten noch nicht vom Krieg verabschiedet haben, sondern daß vielmehr die Kriegslogik eine Waffenpause erzwang. Man wolle neu gestärkt in eine weitere „Entscheidungsschlacht“ gehen, so der Tenor nahezu aller Medien Jugoslawiens.

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