: KOSLOWSKIS GITTA PLAUDERT VOM SOFA
Was war'n das für Zeiten, als Schaller und ich noch gemeinsam in herzliches Gerlächter ausbrachen, wie neulich beim Fernsehgucken, als Konsul Weyer — seine neue Sendung ist, vor allem wegen der echt gemeinen Zwischenkommentare eine echte Bereicherung unseres TV-Eintopfs — als also der „schöne Konsul“ dreimal versuchte, das Wort „Budget“ auszusprechen und immer nur „Bidschö“ rauskam. Seit Hoyerswerda schreit Schaller nicht mehr, und ich mache mir Sorgen. Zumal er jetzt urplötzlich angefangen hat, sich mit den strengen Förmlichkeiten der japanischen Teezeremonie auseinanderzusetzen. Meine Analytikerin sagt zwar, das sei nicht so schlimm und nur als verzweifelte Gegenreaktion zu verstehen, aber ich war dann doch recht hilflos, als Schaller nach den Berichten über den Abtransport der Asylanten anfing, mir zu erklären, daß der außergewöhnliche Ernst des japanischen Lebensideals hinter der Fiktion versteckt sei, daß alles nur ein Spiel ist:
Die japanische Sprache bewahre diese Konzeption noch in der Asobase-Kotoba, der höflichen Redeweise, die man Höherstehenden gegenüber gebraucht. Man stellt sich so, als täten die höheren Klassen alles, was sie tun, lediglich spielend. Also, die Höflichkeitsformel für „Ihr kommt in Tokio an“, lautet dann „Ihr spielt Ankunft in Tokio“, oder „Ich habe erfahren, daß dein Vater gestorben ist“, heißt dann „Ich habe vernommen, daß dein Vater Sterben gespielt hat“.
So'n Zeug erzählt der mir und wundert sich dann, wenn ich überhaupt nicht durchblicke. Fast hätter wieder losgebrüllt, aber es kam dann doch nur ein sanftes: „Sieh mal Liebling, — wäre es nicht viel hübscher, wenn man sagen könnte ,die Bürger der neuen Bundesländer haben wieder mal Asylantenverhauen gespielt?‘.
Ich mein, diese Ostler sind ja wirklich zu süß, wenn sie mal auf'n Trip kommen — allerdings mußte ich Schaller doch drauf hinweisen, daß diese ganze japanische Spielzeremonie doch nur für den Umgang mit Höhergestellten gilt, und da kontert der gleich mit dem Vorwurf, ich sei doch letztendlich ziemlich spießig, weil nicht variabel und experimentierfreudig. Ich meinte aber, daß irgendwo der Spaß aufhören muß, wo die Gewalt anfängt. Oder, wie Simone sagte: „Wer das Schwert ergreift, der wird durch das Schwert umkommen. Und wer das Schwert nicht ergreift, oder es fahren läßt, der wird am Kreuz umkommen.“
Ja, da ging aber bei uns die Wutz ab — gelacht hat der Ostler da und gesagt, daß wir hier ja wirklich so blöd wie die sanften Revolutionäre von der „Wir-sind-ein-Volk-Fraktion“ seien, noch schlimmer eigentlich, weil wir auch noch auf die Märtyrerschiene gingen.
Ach nee, irgendwie isses doch alles sehr unappetittlich geworden in Deutschland — noch schlimmer ist allerdings, daß man noch nicht mal weiß, wo man denn statt dessen hingehen könnte... wahrscheinlich werden wir bleiben müssen, auch wenn heute abend das letzte Mal J.R. im Fernsehn ist.
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