piwik no script img

Kriseln im Griesinger-Krankenhaus

■ 16 von 40 Psychologen des »Wilhelm Griesinger«-Krankenhauses in Berlin-Biesdorf sollen gehen Junges Team droht einzugehen/ Klinik-Chef Professor Bernd Nickel: »Ein großes Mißverständnis«

Biesdorf. Es gärt unter den Psychologen des »Wilhelm Griesinger«- Krankenhauses in Berlin-Biesdorf. 40 Prozent der 41 Psychologen sollen entlassen werden, heißt es in einem der taz vorliegendem Papier, das von über 30 Psychologen der Klinik unterzeichnet worden ist. Sie fordern von der Klinikleitung mehr Transparenz bei den durch die Finanzknappheit der Klinik scheinbar notwendig gewordenen Entlassungen und Diskussionen hinsichtlich der Beschäftigung von Psychologen im Rahmen einer geplanten Klinikstruktur. In dem Protestschreiben werfen die Ärzte der Klinikleitung Untätigkeit vor, die sich weder bei der Erarbeitung von Konzepten, Personalbedarfsplänen noch beim Bemühen um andere Finazierungsquellen wie z.B. ABM-Stellen besonders hervorgetan hat. Teile des Pflegepersonals haben sich mit den Psychologen solidarisiert.

Hinter dem schlichten Namen »Wilhelm Griesinger« verbirgt sich die zu DDR Zeiten international renomierte Forschungseinrichtung für Alkoholsucht, die Zentralklinik für Neurologie und Psychologie der DDR. Ärztlicher Direktor und gleichzeitig von 1987 bis '89 beratender Psychiater des Ministeriums für Gesundheit war Professor Bernd Nickel. Der Forschungskomplex der Klinik wurde Anfang des Jahres abgewickelt. Übriggeblieben sind der Leiter der Klinik, Professor Bernd Nickel und die klinisch arbeitenden Bereiche.

Nickel beschrieb das Ganze gegenüber der taz als ein großes Mißverständnis. Nicht 40 Prozent sondern lediglich 7 junge Psychologen (17 Prozent) würden sich von ihrem Arbeitsplatz verabschieden müssen. Insgesamt betrachtet Nickel das Kritikpapier als sehr konstruktiv. Er sei bereit, gemeinsam mit den Psychologen alternative Finanzierungskonzepte wie ABM oder Job-sharing zu suchen. Trotzdem will er von den Auswahlkriterien für die Entlassungen, eine am Kündigungsschutzgesetz entlang entwickelte Sozialpunktetabelle, die Alter, Betriebszugehörigkeit, Anzahl der Kinder und Schwerbehindertengesetz berücksichtigt, nicht abweichen. Die fachliche Qualifikation als Kriterium ist dabei nicht vorgesehen.

Entgegen den Behauptungen von Nickel, daß mit den Entlassungen keine Arbeitsbereiche aus der Klinik verschwinden, wird das junge Team der Suchtklinik 3 zerschlagen. Fraglich wird, ob das von den Psychologen erarbeite Konzept für multimorbid geschädigte Menschen, das familientherapeutische Maßnahmen beinhaltet, überhaupt noch durchgeführt werden kann. Nickel und der Personalrat tun so, als hätte es die Wende nicht gegeben. Genau die Leute, die 20 oder mehr Jahre alles mitgemacht haben, haben nach der Sozialpunktetabelle die größten Chancen, ihre Posten zu behalten.

Das ist absurd, wenn man bedenkt, daß im Ostteil Berlins Überprüfung der Mitarbeiter an den Kliniken begonnen hat haben. Der persönliche Referent des Gesundheitssenators, Wolfgang Erichson, erklärt, daß eine aus Vertretern von Senat, Kirchen sowie der jeweiligen Bezirke und städtischen Krankenhäuser zusammengesetzte Kommission nicht nur die Stasi-Vergangenheit von leitenden Mitarbeitern, sondern auch deren Qualifikation und Verhalten in der Vergangenheit überprüfe. Nickel befürwortet Überprüfungen und ist überzeugt, daß für seine Klinik daraus keine personellen Konsequenzen entstehen werden. Peter Huth

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen