: Die Ampel steht auf Grün
■ Wedemeier will Rot-Gelb-Grün / FDP eher ablehnend / Grüne positiv / Vgl. auch Seite 3
Der Zeitplan steht: Noch in dieser Woche will Bürgermeister Klaus Wedemeier mit „allen demokratischen Parteien“ Sondierungsgespräche führen, bis Ende Oktober sollen die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen sein und Anfang November der neue Senat gewählt werden. Doch wer dann neben SPD-SenatorInnen auf der Regierungsbank Platz nehmen soll, darauf wollten sich gestern weder Bürgermeister Klaus Wedemeier noch der SPD-Landesvorstand festlegen.
hier den Kopf des
Wahl-Verlierers Wedemeier
Der Landesvorstand hatte gestern morgen gut dreieinhalb Stunden getagt und eine Erklärung in fünf Punkten verabschiedet. „Alle sind schuld, also muß man sich nicht gegenseitig beschuldigen“, faßte ein Teilnehmer die Gesprächsatmosphäre zusammen. Also blieb es bei allgemeinen Einschätzungen zu dem Wahldebakel: „Mangelnde Zustimmung zur Arbeit von Partei, Fraktion und Senat“, so lautet eine Begründung. Rücktritte wurden in der Sitzung nicht verlangt oder angeboten; Bürgermeister Wedemeier bekam einstimmig das Vertrauen ausgesprochen und wurde mit der Leitung der Koalitionsverhandlungen beauftragt. Neben Wedemeier sollen Fraktionschef Klaus Dittbrenner, Bürgermeister Henning Scherf, die SPD-Vorsitzende Ilse Janz und die Vorsitzenden der SPD-Unterbezirke Wischer, Lill, Leo und Lenz an den Koalitionsverhandlungen beteiligt werden. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Horst Isola wurde per Abstimmung ausgebootet.
In einer Landespressekonferenz nach Abschluß der SPD-Beratungen wurde Wedemeier etwas deutlicher: Da es für SPD und FDP keine Mehrheit in der Stadtbürgerschaft gibt und der Senat nicht gegen die Stadtbürgerschaft regieren kann, scheidet eine sozial-liberale Regierungsbildung aus. Ein anderes Modell dagegen geht knapp. Wedemeier: „Für Rot-Grün ist eine Mehrheit vorhanden.“ In Zahlen: Rot-Grün hätte im Landtag 52:48 Stimmen und in der Stadtbürgerschaft 42:38. Doch des Bürgermeisters Wunsch ist ganz offensichtlich die größere Lösung, die Ampelkoalition. Wedemeiers Offerte Richtung Grüne und FDP: „Ich habe die herzliche Bitte, die Hürden nicht höher zu legen als notwendig.“ Es gebe einen Einigungsdruck, der die Situation des Landes und der Stadt berücksichtigen müsse: „Es ist die Frage, ob man nicht die Fragen der Wirtschaft mit denen der Ökologie bündelt.“
Marie-Luise Beck, die für die Grünen an der Pressekonferenz teilnahm, sieht in einer Ampelkoalition dagegen die Gefahr, daß sich die Positionen von FDP und Grünen paralysieren. Bei den großen Differenzen beispielsweise in der Verkehrspolitik könne herauskommen, „daß gar nichts mehr passiert.“ Angesichts des grünen Stimmenzuwachses gebe es keinerlei Grund, von dem Wahlziel einer rot-grünen Koalition abzugehen. Beck: „Die Voraussetzung für ein solches Bündnis wäre ein hoher Grad von politischer Übereinstimmung und Stabilität. Wir dürfen nicht auf die Sollbruchstelle hinarbeiten, wie es die Grünen in den Kinderschuhen ihrer Regierungsbeteilungen getan haben.“ Wedemeier vernahm es mit Aufmerksamkeit und notierte die Worte. Auf Nachfrage wollte Beck aber eine Ampelkoalition nicht ganz ausschließen.
„Eine solche Koalition hätte schlechte Überlebenschancen“, meinte für die FDP deren stellvertretender Fraktionsvorsitzender Heinrich Welke. Zwar mache das Stimmenergebnis „einiges möglich“, doch er sei eher skeptisch, daß es eine Regierungsbeteiligung der FDP geben werde. Und in der Tat hätte die FDP in einer solchen Dreierkonstellation einen schweren Stand. Für die Mehrheit in der Bürgerschaft sind FDP-Stimmen jederzeit verzichtbar, die Grünen dagegen wären eine unverzichtbare Partnerin der SPD. Im Konfliktfall hätte die FDP eine ausgesprochen schwache Position. Auch der Bremer FDP-Fraktionschef Claus Jäger, gestern in Bonn, bezeichnet eine Ampelkoalition als „schwierig“.
Da der SPD-Landesvorstand das Gesprächsangebot an die CDU mehr als demokratische Übung versteht und auch Wedemeier den Reiz einer großen Koalition nicht sieht, wird eine rot- grüne Koalition wahrscheinlich. Wedemeier: „Unter Umständen werden wir das müssen.“ Er lobte die stabile Fraktion der Grünen, sah inhaltlich „in weiten Teilen große Übereinstimmung“ und antwortete auf Becks unvoreingenommene Gesprächsbereitschaft („Es gibt keine Essentials“) mit: „Das haben wir heute morgen auch beschlossen.“ hbk
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