INTERVIEW: „Im Westen mehr Ausländerfeinde“
■ Manfred Güllner, Chef des Dortmunder Meinungsforschungsinstituts Forsa, zur Ausländerfeindlichkeit
taz: Seit Freitag vergangener Woche hat es in NRW zwei Dutzend Anschläge auf Flüchtlingsheime gegeben. Hat Sie dieser Ausbruch von Gewalt überrascht?
Manfred Güllner: Ein bißchen ist man immer überrascht und erschreckt, wenn sich solche Gewalt gerade in Deutschland zeigt. Rein nüchtern gesehen war es aber nicht überraschend, weil wir ja ähnliche Phänomene in der Vergangenheit schon hatten. Immer dann, wenn über Ausländerfeindlichkeit mit realitätsfernen Zahlen öffentlich diskutiert wird, fühlen sich diejenigen ermuntert, die tatsächlich ausländerfeindlich sind. Als vor ein paar Jahren mit Thesen gehandelt wurde, wonach 50 Prozent der Deutschen ausländerfeindlich eingestellt seien, kam es auch zu verstärkten Übergriffen, wurden Ausländer mit Zaunlatten überfallen.
Schürt die Asyldebatte Ausländerfeindlichkeit?
So würde ich es nicht sagen. Etwa ein Zehntel der Bevölkerung im Westen ist anfällig für rechtsradikale und ausländerfeindliche Thesen. Dieses Potential ist seit Jahren relativ konstant. Das Problem ist, ob sich diese latent ausländerfeindliche Gruppe als Mehrheit oder Minderheit fühlt. In dem Augenblick, in dem ich die Asylfrage so hochredet, wie das die Politiker zur Zeit tun, fühlt sich diese Minderheit ermuntert, nun selbst etwas zu tun.
Ist der Bodensatz an Rechtsradikalen in den fünf neuen Ländern größer als in den Westländern?
Diese These ist absolut falsch. Genau das Gegenteil ist richtig. Die Ausländerfeindlichkeit ist im Westen größer als im Osten Deutschlands.
Gibt es darüber stichhaltige Erhebungen?
Dafür gibt es eindeutige Belege, z.B. aus dem wiedervereinigten Berlin. Was sich im Osten derzeit an Ausländerfeindlichkeit zeigt, ist das Ergebnis von Aktivitäten extremer Minderheiten in extremer Radikalität, die überhaupt keine Unterstützung in der Bevölkerung finden. Wenn fortwährend behauptet wird, die Ausländerfeindlichkeit im Osten sei so weit verbreitet, dann fühlen sich diese radikalisierten Minderheiten natürlich im Recht und steigern ihren Aktionismus.
Angesichts der Bilder der klatschenden Bürger von Hoyerswerda, kommen mir Zweifel an ihrer These?
Da muß man mal genau schauen, wer und wie viele da tatsächlich den Abtransport der Asylbewerber beklatscht haben. Aus den uns vorliegenden Daten kann man nur den eindeutigen Schluß ziehen, daß die Anfälligkeit der ehemaligen DDR-Bürger für Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus erheblich geringer als im Westen ist.
Gibt es Belege dafür, daß der Rechtsradikalismus zunimmt? Wächst da eine neue Bewegung heran, die über diese 10 Prozent hinausreichen könnte.
Ich würde eher meinen, daß sich das Milieu stabil verhält. Eine Gefahr eines Anstieges auf 20 oder 30 Prozent sehe ich nicht. Auch die Wahl in Bremen ist ja kein gegenteiliger Beleg. Es ist nur wieder der Alltag eingekehrt, der sich durch einen Bedeutungsverlust der großen Parteien auszeichnet. Das hatten wir ja schon bei der letzten Europawahl, als die „Republikaner“ über 5 Prozent erzielten. Diese Entwicklung ist dann durch die Vereinigung gestoppt und überspielt worden. Jetzt herrscht nach der Euphorie quasi wieder Normalität. Von daher sehe ich keine Gefahr, daß das Haßpotential automatisch größer wird.
Ist dieses Potential von den demokratischen Parteien noch erreichbar, oder sind diese Menschen festgelegt?
Sie sind eindeutig nicht ideologisch festgelegt, sondern ihr Verhalten resultiert zu einem erheblichen Teil aus dem Politikversagen der demokratischen Parteien.
Gilt das auch für rechtsradikale Täter?
Nein. Bei diesen Tätern reicht die ideologische Verblendung viel weiter. Darauf muß man auch mit ganz harten Mitteln reagieren. Gespräch: W. Jakobs
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