Wieder kein Konzept für Politische Union der EG

Berlin (taz) — „Wir sind dabei, das Rad neu zu erfinden.“ So charakterisierte am Montag abend der dänische Außenminister Ellemann-Jensen die Bemühungen der Europäischen Gemeinschaft um eine gemeinsame Linie. Kurz zuvor hatte eine überwältigende Mehrheit von zehn EG-Mitgliedsländern einen Entwurf der niederländischen Regierung für die politischen Konturen EG-Europas gekippt. Die Niederlande, die zur Zeit die Ratspräsidentschaft innehaben, hatten in ihrem in der vergangenen Woche eingereichten Papier vorgeschlagen, neben dem Ministerrat auch dem Europäischen Parlament mehr Kompetenzen einzuräumen.

Für den Plan aus Den Haag sprachen sich am Ende nur noch die belgische Regierung und die EG-Kommission aus. Dagegen votierten aus ganz unterschiedlichen Motiven alle anderen Mitgliedsländer. Italiens Außenminister kritisierte, daß die Niederländer wieder bei Null angefangen hätten. Frankreich, Großbritannien und viele andere monierten die starke Rolle des Europaparlamentes. Genscher hingegen fand, die Parlamentarier hätten zuwenig Einfluß.

Knapp zwei Monate vor dem „entscheidenden“ Gipfel in Maastricht, bei dem die Weichen für die Politische und Wirtschaftliche Union gestellt werden sollen, befindet sich die Gemeinschaft damit wieder in einem konzeptlosen Zustand. Dabei steht die Gemeinschaft gerade außenpolitisch unter Erfolgszwang. Außenminister Genscher forderte seine Amtskollegen auf, an dem alten Fahrplan festzuhalten. Nach Genscher sollen die Außenminister Sondersitzungen einlegen, um die Reform bis Dezember abzuschließen: „Wir wollen ein handlungsfähiges Europa.“

Nach der niederländischen Schlappe kann nur das Großherzogtum Luxemburg triumphieren. Dessen Vertragsentwurf vom Juni soll nach dem Willen der meisten Außenminister jetzt zur neuen Diskussionsgrundlage werden. Das Luxemburger Papier schreibt praktisch die Machtlosigkeit des Europaparlamentes fest. Andererseits gehen auch die Luxemburger von einer weitgehenden Zentralisierung der Außen- und Sicherheitspolitik der Zwölf aus. In immer mehr Bereichen sollen EG-Entscheidungen mit Mehrheitsbeschlüssen — und nicht wie bislang einstimmig — möglich sein. Das Luxemburger Modell sieht jedoch vor, daß zumindest für eine Übergangsphase die Entscheidungen weiterhin auch in den alten nationalstaatlichen Strukturen getroffen werden.

Ein Kompromiß nach bewährter EG-Tradition. EG-Taktiker vermuten, daß damit möglicherweise die britische Blockadepolitik geknackt werden kann. Als Preis für die klare Ablehnung des „bundesstaatlichen“ niederländischen Papiers müssen sich die Torys in Europafragen flexibler zeigen, hoffen unter anderem französische Diplomaten. dora