piwik no script img

Demo gegen Ausländerfeindlichkeit

■ »Keine weiteren Pogrome« — Immigrantinnen wehren sich gegen Gewalt/ 18.000 Demonstranten/ Am Ende der Veranstaltung Randale/ Heinz Galinski fordert Gremium gegen Rechtsradikalismus

Berlin. Rund 18.000, nach Polizeiangaben 6.000 Menschen protestierten gestern nachmittag in Kreuzberg gegen die Ausländerfeindlichkeit und den täglich aggressiver werdenden Fremdenhaß. Der Zug führte über die Oranienstraße zum Strausberger Platz und wieder zurück zum Mariannenplatz. Bis zur Abschlußkundgebung um 17 Uhr verlief die Demonstration weitgehend friedlich, nur am Frankfurter Tor splitterte eine Scheibe. Bei Redaktionsschluß kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Autonomen und Polizei am Heinrichplatz. Geschäftsleute hatten die Fenster ihrer Geschäfte vergittert, sämtliche Kneipen machten dicht. Die Polizei rollte mit weiteren Hundertschaften an. Auch in der Adalbertstraße flammten am frühen Abend Auseinandersetzungen auf.

Zu dem Protestmarsch unter dem Motto »Keine weiteren Pogrome« hatten mehrere ImmigrantInnenorganisationen aufgerufen. Mit Erfolg, denn auffällig war die sehr starke Beteiligung von ausländischen Jugendlichen und Frauen. Die Demonstrationsleiterin, eine Sprecherin der ImmigrantInnengruppe Noziwe bezeichnete den Protestmarsch daher auch als »einmalig«. Permanent im Gespräch sei man mit der Polizei gewesen, um Eskalationen zu verhindern. Die Polizei, die zur Beobachtung 900 Beamte eingesetzt hatte, honorierte auch das Kooperationsangebot und hielt sich, zumindest bis Redaktionsschluß, auffällig zurück. Im Unterschied zu ähnlichen Veranstaltungen gab es allerdings auch keinen organisierten Block vermummter Autonomer.

Sichtbar war das Bemühen, trotz der Welle von Gewalttätigkeiten gegen Ausländer, die Situation nicht weiter aufzuheizen. Neben den üblichen Transparenten wie »Deutschland muß sterben, damit wir leben können« und »Nie wieder Faschismus und Rassismus« flatterten viele Symbole des gewaltfreien Kampfes, gestern vor allem Bilder von Martin Luther King mit der Aufschrift »I have a dream«.

Nach Angaben der Polizei ist es gestern, trotz Befürchtungen diverser Flüchtlingsgruppen, nicht zu Übergriffen auf Ausländerheime gekommen. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Galinski, schlug gestern vor, ein Gremium zur Aufarbeitung des Rechtsradikalismus zu gründen. Seiner Ansicht nach ist eine furchtbare Entwicklung gegen Ausländer im rollen, »und wir sehen niemanden, der sich der Gefahr mit Aussicht auf Erfolg in den Weg stellen würde. Polizeischutz für überfallene Ausländer »hat Vorrang vor anderen kriminellen Delikten«, sagte die Ausländerbeauftragte Barbara John bei der Veranstaltung in Prenzlauer Berg. aku

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen