: Die heiligen Kühe der taz
■ Einheitslohn und „Basisdemokratie“ sind gestern gefallen/ Zum Eklat führte der Streit ums Kapital
Die zwei Tage des Vereins-Plenums der taz-Mitarbeiter haben Nerven gekostet und zu einem Eklat geführt. Erst in einigen Wochen werden wir wissen, ob die Entscheidungen der Mehrheit des Vereins diesmal nur einen Scherbenhaufen angerichtet oder Klarheit über die weitere Entwicklung der taz geschaffen haben.
Abschied von der Basisdemokratie
Klar ist: die taz hat Abschied genommen von den Formen der innerbetrieblichen Basisdemokratie, die seit ihrer Gründung 1979 innerbetriebliche Reformen dem Konsensprinzip unterwarfen.
Die größte selbstverwaltete Firma der Bundesrepublik war in diesen inneren Strukturen bewwegungsunfähig geworden, die Blockademöglichkeiten waren immens, arbeitsorganisatorische Reformschritte scheiterten zu oft am hinhaltenden Widerstand der betroffenen Abteilung.
An die Stelle der Basisdemokratie der Abteilungen, die sich KoordinatorInnen wählten, wird jetzt eine klassische Struktur treten: der Vorstand des Vereins als Eigentümer der taz beruft die Redaktionsleitung und Geschäftsführung; Redaktionsleitung und Geschäftsführung setzen jeweils ihre Ressort- und AbteilungsleiterInnen ein. Die Belegschaft soll über einen Betriebsrat und ein Redaktionsstatut Mitbestimmungsrechte haben.
Diese kleine Revolution in der taz- Binnenstruktur war im Verein der taz-MitarbeiterInnen weitgehend unumstritten. Sie stand in allen Anträgen und wurde ohne große Debatte von den nach dem Auszug der Redaktionsmehrheit Verbliebenen beschlossen. Die neue Struktur soll eine effektivere Betriebsorganisation ermöglichen.
Abschied vom Einheitslohn
Gleich war der Lohn der taz-MitarbeiterInnen schon lange nicht mehr: Es gab einen effektiven Unterschied in der täglichen Arbeitszeit, für die der „Einheitslohn“ gezahlt wurde, und es gab kleine Betriebszugehörigkeitszulagen (10 DM pro taz-Jahr) sowie großzügige Kinder-Zulagen (400 DM).
Beschlossenes Ziel der Sanierung ist die Entwicklung einer Lohn- und Gehaltsstruktur, die den MitarbeiterInnen dauerhaft angemessenes Einkommen sichert und auch die Einstellung erfahrener Journalisten und Verlagsmitarbeiter ermöglicht. Auch dies war Konsens auf der Mitarbeiterversammlung.
Wem gehört die taz?
Der nervenaufreibende Streit drehte sich um eine andere Frage: Soll der Mitarbeiterverein alleiniger Eigentümer der taz bleiben? Der ehrenamtliche, jetzt turnusmäßig ersetzte taz- Vereinsvorstand war im Herbst 1990 mit dem Anspruch angetreten, selbst die Rolle des Verlegers zu spielen. Sein erklärtes (aber nicht erreichtes) Ziel war es, die Möglichkeiten der Beteiligung eines potenten Investors an der taz zu sondieren.
Die Argumente für eine solche Beteiligung liegen auf der Hand.
1. Die taz kann die Chancen der Öffnung der Mauer um West-Berlin kaum aus eigener (Finanz-)Kraft nutzen. So gab es im Frühjahr 1990 eine recht erfolgreiche DDR-Ausgabe der taz, die aber — auch aus finanziellen Gründen — verfrüht in die Gesamtausgabe der taz integriert wurde.
2. Medienkonzerne führen eine Schlacht um den Zeitungsmarkt Berlin und werben mit verlockenden Gehaltsangeboten. Die taz ist einem erbarmungslosen Wettbewerb ausgesetzt.
3. Die Berlinförderung, von der die taz wie jedes andere Unternehmen der Stadt profitiert hat, wird schrittweise abgebaut.
4. Die notwendigen zweistelligen Millionensummen sind über traditionelle Beteiligungsformen wie stille Gesellschafter nicht aufzubringen.
Die Gegenargumente gegen die Beteiligung eines Investors: Ein fremder Miteigentümer an der taz gefährdet ihre redaktionelle Unabhängigkeit und ihre Selbstorganisation. Ohne erheblichen Einfluß zu nehmen, gibt niemand derartige Summen.
Der alte Vereinsvorstand, der mehrheitlich die Redaktion repräsentierte, wollte auf dem Vereinsplenum eine Prinzipienabstimmung über die Eigentumsfrage herbeiführen. Die taz-MitarbeiterInnen beschlossen mehrheitlich (80:60), vor allem mit den Stimmen aus Technik und Verlagsbereich, daß das Prinzip der Selbstorganisation und das unbeschränkte Eigentum des Mitarbeitervereins an der Zeitung erhalten bleiben sollen. Die notwendigen Investitionsmittel sollen unter der Maßgabe aufgebracht werden, daß diese Prinzipien und die Unabhängigkeit der taz garantiert bleiben. Klaus Wolschner
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