Große Gefühle und melancholische Lieder für die Neunziger

■ Four Star Five — Schöne Menschen machen schöne Lieder und verweigern sich doch dem endgültigen Durchbruch

Ein kleiner Club, abseits vom Strom von Hippness und Verwertbarkeit. Im Inneren reihen sich Sitzelemente um Tischchen mit roten Lämpchen. Das Licht ist warm und gedämpft. Die ausgewählten Getränke werden in stilvollen Gefäßen offeriert, die Unterhaltungen gleiten ruhig dahin, und die Kapelle spielt schöne, melancholische Popsongs.

So oder ähnlich würde sich Lena von Four Star Five wahrscheinlich das Ambiente für ihre Band wünschen. Four Star Five, die schon auf dem Sampler Geräusche für die 90er mit ihrem Stück Garbage of my Life Aufsehen erregten, werden am Sonntag mit Element of Crime im Quartier zu sehen sein. Seit 1987 machen Lena Ampelakiotou und Wilhelm Stegmeier diese schönen, klaren, traurigen Popsongs. Die tiefe, semisentimentale Stimme von Wilhelm Stegmeier dominierte die relaxten Arrangements. Warum man diese Berliner Band so wenig zu sehen bekommt und auch nicht auf Platte erwerben kann, über Emotionen und Atmosphäre, über das Publikum und die Deutschen, erzählten Lena (Rhythmusgitarre), Wilhelm (Gesang, Gitarre), Double (Bass) und Robs (Drums).

Ihr seid ja nicht sehr häufig in Berlin zu sehen — warum?

Lena: Ja, ich denke, es hat keinen Sinn, hier jede Woche das Set rauf und runter zu spielen.

Robs/Wilhelm: Da ist einfach mehr Spannung, wenn man selten spielt. Wir freuen uns mehr, wenn wir dann spielen und das Publikum auch — es ist dann nicht so routiniert, eben ein Ereignis.

Worauf legt ihr bei euren Stücken besonderen Wert, wie entstehen sie?

Wilhelm: Es ist schon so, daß zuerst die Melodie, der Song da ist.

Lena: Und es ist auch wichtig, daß man die Stücke nur mit einem Instrument spielen könnte. Es würde eben auch funktionieren, wenn Wilhelm nur Klavierbegleitung hätte.

Wilhelm: Wir versuchen die Instrumente immer sehr zu limiteren, daß keines überhand nimmt.

Lena: Es gibt keine endlosen Soli, keine 200 Breaks in einem Stück.

Ist das Musikmachen Teil eures Lebens, lifestyle, oder läuft es so nebenher, aus Spaß?

Alle: Das ist schon eine bewußt gewählte Form, sich auszudrücken.

Double: Ich könnte nicht sagen, »dann werde ich halt Schriftsteller«, Musik ist schon eine ganz besondere Form.

Wie ist das mit den Texten?

Lene: 80 zu 20. Wilhelm macht die meisten und ich auch ein paar. Aber, ich finde, die Texte sind nicht so wichtig wie die Musik. Ein guter Musiker kann eben nicht auch noch ein guter Lyriker sein — das gibt es selten, vielleicht Bob Dylan. Sonst gilt für die Texte dasselbe wie für die Musik: minimiert, ehrlich, nichts aufgepfropftes.

Wilhelm: Es geht bei den Texten mehr darum, eine Stimmung einzufangen und mitzuteilen.

Das sind ja aber alles traurige, melancholische Texte.

Wilhelm: Ja, so seh' ich das eben — obwohl die Leute das auch zu ernst nehmen, die Ironie gar nicht mitkriegen, die in den Texten steckt.

Lena: Wir sind einfach nicht quietschfidel.

Von der Presse kriegt ihr ja immer unglaublich gute Kritiken, das Publikum mag euch, warum gibt es noch keine Platte?

Lena: Das Merkwürdige ist doch, daß von einer deutschen Band entweder dieses »Fußball — wir tanzen auf den Tischen« erwartet wird oder Imitationen. Im Programm ist eine deutsche melancholische Band nicht drin.

Wilhelm: Die Firmen haben eben diese Schubladen, mit denen sie vieles verhindern.

Lena: Ich glaube, daß die Zeit reif ist für was Neues. Etwas, was ein Ausdruck der Zeit ist — eben nicht die Schnellebigkeit von Dancefloor.

Double: Oder auch von Hip-Hop. Wenn ich da auf 'nem Konzert bin, frag' ich mich immer, warum ich nicht zu Hause die Platten anhöre, weil die Jungs da oben mit ihren Mikros so austauschbar sind.

Wilhelm: Warum denn sonst kommt Sinéad Ó Connor mit ihrem »Tränenstück« in die Charts. Die Leute haben langsam die Schnauze voll von dem, was die letzten Jahre war. Das war schon ein Phänomen, wie inhaltslos diese dancehouse generation war.

Meint ihr nicht, daß das eben die Herausforderung an der Sache war, daß das fast jeder machen konnte — Platten sampeln... Man muß dazu kein Instrument lernen.

Lena: Genau das, denke ich, ist die Sache. Zum Beispiel ein Lifeauftritt: Das ist ein Bedürfnis nach originären Ereignissen im positiven Sinn. Im negativen Sinn kriegen wir das Bedürfnis nach originären Ereignissen im politischen Bereich gerade vorgeführt.

Es ist einfach was anderes, ob du dein Tape einlegst, oder ob da Leute auf der Bühne stehen und den Raum mit Musik füllen. Ich meine damit nicht das extreme Erleben von »wir sind alle eins...«

Es mag merkwürdig für dich klingen, aber die besten Momente bei unseren Konzerten waren die, an denen etwas schieflief — etwas Unvorhersehbares passierte — das ist so menschlich. ave

Am Sonntag um 20 Uhr im Quartier mit Element of Crime