: Totschweigen half Rechtsradikalen
Wie soll die Bremer Öffentlichkeit mit der rechtsradikalen DVU in der Bürgerschaft umgehen? Solidarität mit ausländischen Arbeitnehmern bröckelt/ Neue Rechtspartei gegründet ■ Von K. Wolschner/E. Single
Bremen/Stuttgart (taz) — Die Bremer CDU, die mit der Ausländerkampagne ihren Wahlkampf gemacht hat und deren Spitzenkandidat Nölle Asylbewerber am liebsten an der Grenze abweisen möchte, erklärt vollmundig: „Die CDU erwartet, daß alle nur möglichen Maßnahmen ergriffen werden, damit sich solche Taten nicht wiederholen.“ Soll man sich an Polizei vor den Asylbewerber-Häusern gewöhnen wie samstags vor den Synagogen? Die Bremer CDU erwartet in ihrer Presseerklärung auch, „daß Taten erfolgen, um den Mißbrauch des Asylrechts zu beenden“.
Als ein Abgeordneter der rechtsradikalen DVU vor vier Jahren über Bremerhaven in das bremische Landesparlament eingezogen ist, da waren sich die Parteienvertreter noch einig: Totschweigen ist die Taktik. Die Journalistengewerkschaft debattierte, ob der Kampf gegen Rechts oder die journalistische Verpflichtung auf Berichterstattung vorrangig sei.
Am Wahlabend 1991 mußten die Bremerhavener Politiker eingestehen: Das Totschweigen hat nichts genutzt, im Gegenteil. Die rechten Politiker im Stadtparlament Bremerhaven und in der Bremer Bürgerschaft hatten sich relativ still verhalten, sie allesamt waren ihrem Job kaum gewachsen. Da sie nicht gefordert wurden, haben sie sich auch nicht blamiert — nur deshalb eigneten sie sich auch diesmal für Proteststimmen. Totschweigen geht jetzt auch nicht mehr — im Bremer Landtag sitzen sie mit sechs Köpfen in Fraktionsstärke.
Totschweigen wollen auch Bremer Betriebsräte nicht mehr, daß unter Kollegen rechtsradikales Gedankengut grassiert. Die Klöckner-Vertrauensleute berichteten, daß am Wahlabend ein türkischer Kollege nach der Hochrechnung einen Morddroh-Anruf erhalten habe. „Erhaltet die bisher geübte Solidarität“, rufen die Klöckner-Gewerkschafter ihren Kollegen zu.
Die Bremer Landesregierung hat vor zwei Jahren eine „Zentralstelle zur Integration von Zuwanderer und Flüchtlinges“ eingerichtet. Die kleine Behörde diente auch dazu, die Unterbezirksvorsitzende der SPD, Dagmar Lill, mit einer B3-Stelle im öffentlichen Dienst zu versorgen. Die „Zentralstelle“ kündigte gestern an, daß Dagmar Lill aus Protest gegen die ausländefeindlichen Parolen öffentlich DVU-Schilder abbauen wolle — vor dem Pressehaus, so haben es die Fotografen nicht so weit. Mehr als eine Bürgerinitiative gegen rechts ist ihrer Behörde offenbar nicht eingefallen.
Die Bremer CDU ist gegen die Bremer Zentralstelle zur Integration der Einwanderer — da werde nur Geld verschwendet, sagt sie.
Neue Rechtspartei gegründet
Pünktlich zum Tag der Deutschen Einheit hat sich das rechtsextremistische Sammelbecken „Deutsche Liga für Volk und Heimat“ in Villingen- Schwenningen als bundesweit agierende Partei gegründet. Das neue Bündnis altbekannter Kräfte aus den Reihen von „Republikanern“, NPD, DVU und „Deutsche Allianz“ will bereits bei den baden-württembergischen Landtagswahlen im Frühjahr nächsten Jahres mitmischen. Rund 700 Gesinnungsfreunde scharten sich auf dem ersten Parteitag um den früheren Rep-Generalsekretär und Schönhuber-Kronprinzen Harald Neubauer, der zusammen mit dem ehemaligen südwestdeutschen NPD- Chef Jürgen Schützinger und dem Ex-Schatzmeister der Berliner Reps, Rudolf Kendzia, die Führungsspitze der „Deutschen Liga“ stellt.
Die rechtsextreme Fangemeinde hatte ihren ursprünglich in Stuttgart geplante Versammlung kurzfristig in die NPD-Hochburg verlegt. In der Landeshauptstadt versammelten sich derweil knapp 1.000 Menschen zu einer Demonstration gegen Rechtsradikalismus und Ausländerfeindlichkeit.
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